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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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erschlagen, erdrosselt, alt, jung, in Bauchlage, in Rückenlage. Wer immer diese Informationen hinterlässt, hat vorher eine Entscheidung treffen müssen.
    Ich sprach mit Ernst Geiger über meine Ideen, die Möglichkeiten, das Verhalten zu vergleichen, die Messbarkeit und den Versuch, einen Menschen zu identifizieren, indem man über sein Verhalten auf seine eigenen Bedürfnisse schließen konnte.
    Tags darauf waren es Lichtbilder von sieben Frauenleichen. Er brachte mir Tatortberichte und bald war der Schreibtisch übersät mit Tatortbildern, Obduktionsbefunden und Landkarten. Ich wusste nicht mehr, wo ich anfangen und wo ich aufhören sollte. Ich fühlte mich wie ein riesiger Bücherwurm, der sich von einem Aktenstoß in den anderen hineinbohrte. Bilder betrachtend, vergleichende Analysen anstellend und irgendwelche Tabellen zeichnend. Es gab für mich keine Arbeitszeit mehr. Ich kam zeitig in der Früh und verließ meist nach Mitternacht das Büro. Ich schlief ein paar Stunden und wühlte mich weiter durch meine Informationen. Die Zecke hatte ihren Wirt gefunden. Ich saugte die einzelnen Bausteinchen geradezu in mich auf, um sie mit anderen zu vergleichen, wieder abzulegen, wieder von vorne zu beginnen, nur um mit einer anderen Gemeinsamkeit eine bereits getroffene Schlussfolgerung zu verwerfen. Ich berechnete und studierte, zeichnete, malte und fasste zusammen … für die Dauer von zwei Monaten …
    Irgendwann marschierte Ernst Geiger mit mir zum ranghöchsten Polizisten der Republik, zum Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Michael Sika. Den Namen dieses Mannes hörte man als Streifenpolizist sehr oft, auch aus den Medien. Man las seinen Schriftzug auf Anordnungen, welche ganze Divisionen in Bewegung setzten und welche die Macht und den Einfluss dieses Menschen erahnen ließen. Man sieht eine Persönlichkeit wie ihn vielleicht bei einem Besuch aus einer Entfernung von 150 Metern, aber persönlich?
    Sehr verkürzt dargestellt, gab mir Michael Sika nach dem persönlichen Gespräch zu verstehen, dass er sowohl den Bericht gelesen habe als auch von der Methodik selbst einiges hielte, er mir helfen könne, aber eben nur, wenn ich in Wien bliebe. … für die Dauer von zwei Monaten … Ich erwähnte ihm gegenüber diese zeitliche Begrenzung. Er griff zum Telefonhörer und gab mir den Auftrag, den Kriminalpsychologischen Dienst aufzubauen … für die Dauer von … unbegrenzt …
    Ein einziger Satz, ein einziger Telefonanruf dieses Mannes hatte meine bisherigen Möglichkeiten um das Zehn-, ja um das Hundertfache erweitert.

18.

    Sechs Monate später war ich immer noch in Wien. Ich hatte ein eigenes Zimmer, war Mitglied der Kriminalpolizeilichen Zentralstelle des Bundesinnenministeriums, und auf meinem Türschild stand „Kriminalpsychologischer Dienst“. Die Ideen, die ich dem Leiter der Sonderkommission im Falle Jack Unterweger gab, führten schließlich dazu, dass mein Einladungsschreiben des FBI in Absprache mit dem Legal Attaché der amerikanischen Bundespolizei besprochen und ausgedehnt wurde. Irgendwann fanden Ernst Geiger und ich uns dort ein, wo ich Jahre vorher im Kino Clarice Starling auf dem Weg ins Büro von Jack Crawford laufen gesehen hatte: in der FBI-Akademie in Quantico in Virginia. Es würde die Metapher überstrapazieren, wenn ich sagen würde, die Zecke ist vom Schwein auf den Hirsch gehüpft. Aber die Möglichkeiten, die sich mir nunmehr eröffneten, waren schier unglaublich. Es war nicht nur die Aufgabe, am Fall zu arbeiten, es war vor allem die Möglichkeit, mit Leuten zu sprechen, die den Ansatz bereits jahrelang erprobten, die Vergleichsfälle hatten. Es war das Wissen, umgeben zu sein von Tatortbildern, Einzelinformationen von Toxikologen, Rechtsmedizinern, von Kriminalisten, die selbst Gespräche mit Leuten geführt hatten, die drei, vier, zehn, zwanzig Morde begangen hatten.
    Abermals begann ich die bekannte und altbewährte Methode zu verfeinern. Ich interessierte mich für alles und für jeden. Jede kleinste Information erschien mir wichtig. Wenn andere das Büro verließen, ersuchte ich noch um die leihweise Übergabe eines Aktes. Im Zimmer stapelten sich Obduktionsbilder. Ich ersuchte um Landkarten, klopfte an jede Türe und blieb „übernachhaltig“. Ich sprach mit jenem Agenten, der uns zugewiesen war, Greg McCrary, einem Mann, der seit über sechs Jahren nichts anderes tat, als Kapitalverbrechen zu analysieren, mit dem Unit Chief John Douglas, und ich besorgte mir

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