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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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meiner Seite ansprechen. Was wäre, wenn ich einfach nur einen Tee getrunken hatte? Wenn alles nur Einbildung war? Natürlich könnte ich bei der Tür hinausstürzen und um Hilfe schreien. Ich könnte einen Notarzt herbeirufen lassen, mir den Magen auspumpen lassen. Was wäre, wenn er kopfschüttelnd daneben stünde und mich dabei beobachtete, wie mir der Notarzt den Schlauch durch die Nase in meinen Magen schiebt und ich mich dabei achtmal übergeben muss. Was für ein Anblick!
    Plötzlich sprach er über seine Gesundheit und dass er Rauchen abstoßend finde. Sein Beruf als Kürschnermeister habe ihn immer wieder in die unglückliche Situation gebracht, dass er die feinen Härchen der Pelze einatmen musste, und so sei er froh, dass er reine saubere Luft atmen könne. Er sprach über die Gesundheit und ich wusste von Sekunde zu Sekunde noch weniger, wie es um die meine stand. Der Inhalt des Gespräches wurde nur mehr zur Farce und ich musste mich beherrschen, um nicht gänzlich die Contenance zu verlieren. Kurzzeitig überlegte ich mir, ihn darauf anzusprechen und ihn zu fragen, warum er seinen Tee nicht trank. Was für eine plumpe Strategie! Dann hätte er endgültig die Bestätigung, dass nun langsam, aber sicher jener nagende Wurm in mir zu bohren beginnt, der noch jeden in die Knie gezwungen hat. Die Angst. Inzwischen war es ohnehin schon zu spät geworden, um überhaupt eine Reaktion darauf zu zeigen. Der Tee hatte sich den Weg über meine Mundhöhle bereits in den Magen gebahnt. Die toxischen Stoffe hatten die Magenwand bereits durchdrungen und waren mit ziemlicher Sicherheit schon in die Blutbahn eingedrungen. Ich begann mehr und mehr über meine körperlichen Veränderungen nachzudenken. Ich beobachtete meine Reaktionsfähigkeit, das Bewegen der Gliedmaßen, strich vorsichtig mit einer Hand über den Handrücken der anderen – nichts.
    Lutz Reinstrom sprach, holte immer weiter aus und erzählte mir davon, dass er eigentlich sehr unglücklich darüber gewesen wäre, wenn man ihn im Zusammenhang mit der Themenstellung des Sexualstraftäters in den Film eingebaut hätte, aber er machte mir den Vorschlag, als Konsulent für einen anderen Film zur Verfügung zu stehen. Abermals war es nicht der Inhalt, den er mir mitteilte, sondern die Tatsache, dass er in die Zukunft blickte, dass er mich abermals in Sicherheit wiegte. Wie tölpelhaft wäre es von mir, daran zu glauben, dass das ein Zeichen der Entwarnung wäre. Meine Fragen wurden immer plumper, mein Gesichtsausdruck wahrscheinlich immer dämlicher. Aber er reagierte nicht darauf. War es nicht geradezu der klassische Beweis dafür, dass ich nunmehr in der Falle saß? Wie oft hatte ich es in meiner beruflichen Karriere erlebt, dass die Macht über Leben und Tod, die Macht, dem anderen bei seiner Hilflosigkeit zuzusehen, das totale Gefühl der Überlegenheit die immer wiederkehrende Begierde von bestimmten Personen darstellt. Eine Erfahrungswelt, die wir nicht betreten können, die wir nur andeutungsweise beobachten und von der wir uns in der Regel abwenden, weil wir sie nur verurteilend zur Kenntnis nehmen können.
    Der Schütze, der mit dem Blick durch das Zielfernrohr und dem Krümmen seines Zeigefingers ein Leben auslöschen kann. Die Macht in der Sekunde, bevor er schießt. Der Täter, der das Messer über den Körper des Opfers zieht und zum richtigen Zeitpunkt den Druck auf die Messerspitze erhöht und erhöht, bis die darunter liegende Haut und Muskulatur nachgeben und der kalte Stahl sich den Weg bis in das Herz bohrt. Der sexuelle Sadist, der dem Opfer Hunderte kleine Ritzverletzungen in das Nachthemd zufügt und bei jedem Schnitt die Entscheidung darüber hat, ob er tiefer geht oder nicht. Der Blick in die angstvollen Augen. Der Mann, der sein Opfer mit verbundenen Augen auf dem Stausee rudern lässt, im Wissen, dass er es ins Wasser werfen wird, möglicherweise mit der Alternative, schneller zu rudern oder dem ins Wasser geworfenen Betonring zu folgen, weil er es daran angebunden hat. Ich merke, dass sich ein Schweißtropfen auf meiner linken Augenbraue sammelt, was ich aber noch auf den überhitzten Raum zurückführe.
    Er schwitzt nicht!
    Ich musste mich einfach entspannen und logisch an die Sache herangehen, zurückgehen zu dem, was ich gelernt hatte – Verhalten ist bedürfnisorientiert. Ich versuchte vergleichbare Beispiele aus den Gesprächen zu rekonstruieren und kehrte doch immer wieder zur Frage zurück. Warum? Welchen Sinn sollte es haben,

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