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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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Gedanken immer nur ein abgelegener Ort. Mein erstes Delikt hatte ich noch nicht komplett geplant. Ich wusste noch nicht den Ort, wo ich hinfahren würde, und wie es dann weiterläuft.“
    Müller: „Glaubst du, dass man in der Realität, ganz egal, was man tut, mit seinen Opfern an die Maximalfantasien überhaupt herankommt?“
    Jens: „Bei mir ist es zumindest so gewesen, dass ich in der Tat nie an die Fantasie herangekommen bin. Es gibt Sachen, die in der Fantasie keine Rolle spielen, zum Beispiel die Gegenwehr, die Schreie.“
    Müller: „Waren Schreie, Gegenwehr, Widerstand des Opfers Teile deiner Fantasie?“
    Jens: „Weniger. Es lief darauf hinaus, dass ich mit den Opfern den Tatort verlassen wollte, dass ich sie irgendwo anders hinbringe. Es war das Gesicht des Opfers. Für mich war es, dass ich im Moment derjenige bin, der die Situation beherrscht, eine Macht richtig ausübt, und dass ich das Opfer eher verängstigt und erschrocken erleben möchte.“
    Müller: „Spielt der Gesichtsausdruck des Opfers nach dem ersten Zustechen in deiner Fantasie eine große Rolle?“
    Jens: „Ja. Ich möchte die Situation einmal beschreiben. Es kann durchaus vorkommen, dass mit dem Messer eine Art Bedrohung des Opfers stattfindet, dass ich es vielleicht noch kurz über den Körper ziehe. Also es gibt eigentlich zwei unterschiedliche Varianten. Die eine Fantasie ist, wo nicht sofort zugestochen wird, die andere Fantasie, wo sofort zugestochen wird.“
    Müller: „Wie würdest du diese Formen der Fantasie klassifizieren? Als persönlich, als sexuell oder was?“
    Jens: „Ich würde sie als sexuell betrachten.“
    Müller: „Könnte man sie als sexuelle Gewaltfantasien bezeichnen?“
    Jens: „Ja.“

    Die Konversation war noch lange nicht beendet, aber eine der Schlussfolgerungen erschreckend und einfach zugleich. Einmal mehr ergibt sich eine Verbindung zwischen Verhalten und Bedürfnis. Jedes menschliche Verhalten ist bedürfnisorientiert, auch wenn es sich um ein Verhalten handelt, das nicht nachvollziehbar erscheint. „Es gibt Menschen, die in Erfahrungswelten leben, die wir nicht betreten können.“
    Zweifelsohne würde normale Sexualität dann vorliegen, wenn jemand ein sexuelles Bedürfnis durch ein sexuelles Verhalten befriedigt. Aber können wir nicht kriminelle und abweichende Sexualität definieren, indem jemand zunächst ein nicht sexuelles Bedürfnis durch eine sexuelle Handlung befriedigt? Eine Vergewaltigung etwa. Die Bedürfnisse des Täters sind Macht, Erniedrigung und Degradierung des Opfers und je nachdem, in welcher Form er seine Entscheidungen und sein Verhalten zum Ausdruck bringt, befriedigt er dadurch ein unterschiedliches Bedürfnis. Manchmal stellt sich die Mutter Natur allerdings auf den Kopf. Wenn wir die Worte von Jens einmal nur übernehmen, dann gibt es tatsächlich Leute, die mit einem nicht sexuellen Verhalten, was das Zufügen von drei, vier, fünf oder zehn Stichwunden in den Oberkörper zweifelsohne darstellt, ein sexuelles Bedürfnis befriedigen. Kaum nachvollziehbar. Was wäre, wenn nicht nur das Zufügen von zehn Stichwunden, sondern auch das nicht pragmatische Abtrennen von Körperteilen, das Essen menschlichen Fleisches, das Trinken von Blut, die extrem degradierende Ablagesituation, was alles definitiv nicht sexuelle Handlungen sind, ein sexuelles Bedürfnis befriedigen kann?

    Und hier stoßen wir nun auf ein grundlegendes Dilemma. Menschliche Bedürfnisse können wir theoretisch, aber nie empirisch beweisen. Gesagtes kann immer gelogen sein. Nur die Handlung selbst, die aus einem Bedürfnis hervorgeht, würde annähernd die Bestätigung dessen sein, was man als Bedürfnis bezeichnen könnte. Aber genau das versucht die Kriminalpsychologie ja nie zu tun: das Gesagte zu beurteilen. Wir müssen allerdings hinsichtlich der Einordnung diese Erfahrungswelten betreten, um sie zumindest „nachsprechen zu können“, wenn wir sie schon nicht nachvollziehen können.
    Immer wieder tauchen Leute aus dem Bereich des Journalismus bei mir im Büro auf und vermeinen festgestellt zu haben, dass ich so denken könnte wie ein Serienmörder, nur weil ich ein paar davon getroffen und mich mit ihnen stundenlang unterhalten habe. Das ist falsch. Ich kann nicht so denken wie diese Menschen, ich kann nur deren Schuhe benützen. Ist es nicht Jens, der uns plötzlich Einblicke in die Gedankenwelt einer Person gibt, die in Bern zwei Frauen überfallen hat? Jens war Jahre vorher gleich vorgegangen. Er

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