Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)
das Schlagen, Fesseln.“
Müller: „Sie sind also dann nach viereinhalb Jahren entlassen worden. Wie lange hat es eigentlich gedauert, bis Sie wieder straffällig geworden sind?“
Marc: „Drei Tage.“
Müller: „Drei Tage. In diesen drei Tagen, wie war die Situation, als Sie zurückgekehrt sind zu Ihren Eltern? Was haben Sie in diesen drei Tagen nach Ihrer Entlassung getan?“
Marc: „Da habe ich mich vorbereitet.“
Müller: „Vorbereitet auf was?“
Marc: „Auf meine Fantasien.“
Müller: „Auf die Umsetzung der Fantasien?“
Marc: „Ich habe mir vorgestellt, eine Prostituierte zu überfallen. Ich habe mir dann bildlich vorgestellt, mit einer Sonnenbrille, Käppi auf, wenn da so eine x-beliebige Tür aufgemacht wird, Messer ziehen und dann zu überfallen.“
Müller: „Wie war es dann, als Sie die Prostituierte wirklich überfallen haben?“
Marc: „Die ist dann vom Fenster zur Wand geflüchtet, wo sie sich dann auch in die Hocke fallen ließ und gesagt hat: ‚Ruft einen Krankenwagen!‘ Ich bin dann zurückgegangen und habe darauf nichts gesagt. Da ist sie auf einmal aufgesprungen zum Fenster, wollte den Vorhang zurückziehen. Da habe ich sie dann weggeholt, praktisch vom Bett, und dann habe ich auf sie eingestochen.“
Müller: „Wie oft?“
Marc: „Also, ich kann mich nicht daran erinnern, dass das nicht so oft war.“
Müller: „Aber Sie wissen jetzt, wie oft es war?“
Marc: „78-mal.“
Müller: „Sie sind dann irgendwann noch einmal zurückgegangen und haben gesehen, wie die Frau am Boden liegt.“
Marc: „Ja, das bin ich. Nach einiger Zeit bin ich dann aufgestanden, bin zurückgegangen und habe mir angeschaut, wie sie sich quält.“
Müller: „Was war das für ein Anblick für Sie, wie sie sich gequält hat?“
Marc: „Ja, das war ein schöner Augenblick.“
Müller: „Wie lange haben Sie da ungefähr zugesehen?“
Marc: „Oh, die Zeit, die kann ich nicht schätzen.“
Introvertiertheit. Mangel an Fähigkeit und Möglichkeit, mit anderen Menschen zu kommunizieren. Vereinsamt in relativ früher Kindheit. Wenn man sich die Biografien all dieser Personen ansieht, die Verbrechen in einer ähnlichen Art und Weise begangen haben, Menschen, die sexuelle Gewaltfantasien ausbauen und so weit gehen, die komplexesten sexuellen Tötungsdelikte zu begehen, finden wir immer wieder Parallelen. Es sind Menschen, die zurückreichend bis ins sechste, siebte, achte Lebensjahr in Situationen hineingeraten, in denen sie offensichtlich mit Belastungen nicht mehr zurechtkommen. Sie haben niemanden, mit dem sie darüber sprechen können. Sie vereinsamen. Sie streunen durch die Gegend, graben Löcher in den Garten und haben keinen Ansprechpartner mehr. Aber gleichzeitig sind es Situationen, die sie belasten, die sie bedrücken. Gewalttätige Handlungen in der Familie, Belastungssituationen durch den Stiefvater. Und sie haben keine andere Möglichkeit, als sich in einen Bereich vorzuwagen, in dem sie plötzlich mächtig und groß werden: in der Fantasie, ja, in Gewaltfantasien. Wenn sie die Augen schließen, werden sie plötzlich mächtig. Sie können die Mitschüler und den Lehrer demütigen, weil sie selbst die Gedemütigten sind. Gewalttätige Handlungen aus Film, Rundfunk und Fernsehen werden in diese gewalttätigen Fantasien eingebaut. Sie vergrößern sich, wie Marc es bezeichnet, wie „ein sich ausdehnendes Universum“. Wenn diese Buben im Alter von zwölf, dreizehn oder vierzehn Jahren mit der normalen hormonellen Entwicklung ihres Körpers konfrontiert werden, mit den sexuellen Fantasien der Hingabe und der Zuneigung, vermischen sich die Gewaltfantasien mit Sexualität und daraus entsteht die Basis für jedes Sexualverbrechen.
Ist es nicht auch die Schnelllebigkeit unserer Zeit, die uns daran hindert, auf die Probleme jener einzugehen, die sich noch nicht so artikulieren können? Verstehen wir denn den Hilfeschrei unserer Kinder oder betrachten wir es schon als lästige Begleiterscheinung, noch schnell am Abend das Gebet zu sprechen und die Aufgaben unserer Kinder zu kontrollieren? Sind wir denn nicht mit unseren eigenen Bedürfnissen und vor allem deren Befriedigung so beschäftigt, dass wir nicht mehr in der Lage sind, die Bedürfnisse anderer zu erkennen, geschweige denn sie abzudecken? Haben wir uns nicht selbst irgendwie um den Verstand gebracht, indem wir uns immer schneller drehen, indem wir schon gar nicht mehr die Zeit haben, auf die Bedürfnisse des Einzelnen
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