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Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition)

Titel: Bestie Mensch: Tarnung - Lüge - Strategie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Müller
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schleichende Entwicklung und immer wieder stellen wir fest, dass Stresssituationen im Leben dieser Menschen dann den eigentlichen Auslöser dafür geben. Es ist nicht die Ursache, aber der Beginn der Wirkung. Bei Maurice könnte es der Selbstmord seines Bruders gewesen sein, der ihn dazu veranlasst hatte, sein Verhalten zu ändern, Frauen nicht mehr niederzuschlagen und ihnen die Handtasche wegzunehmen, um anschließend Briefe zu schreiben, sondern den tödlichen Weg zu gehen, ein Messer mitzunehmen und zuzustechen. Was passiert aber, wenn die Lüge noch nicht vorbei ist?
    Die Untersuchungsrichterin bezeichnete ihn als freundlichen und höflichen, sehr offen kommunizierenden Menschen und sie vermeinte bei ihm keine gestörten sexuellen Fantasien erkannt zu haben. Er hatte mitgeteilt, dass es ihm mehr um Macht gegangen sei, die gestörten sexuellen Fantasien wollte sie ihm nicht in den Mund legen. Die rein juristische Betrachtungsweise war damit natürlich abgedeckt, denn der Gesetzgeber fordert für jede Form des Sexualverbrechens in irgendeiner Weise eine sexuelle Handlung.
    „Aber es gibt Menschen, die in Erfahrungswelten leben, die wir nicht betreten können.“
    Was ist aber, wenn das Bedürfnis nach Macht, Kontrolle, Dominanz und Erniedrigung so stark wird, dass dieses nicht sexuelle Bedürfnis durch eine sexuelle Handlung befriedigt wird? Dann würden wir es verstehen, dann hätten wir die richtigen Begriffe wie Vergewaltigung und sexuelle Nötigung dafür. Was aber, wenn Macht, Dominanz und Kontrolle, so wie es uns Jens und auch Marc bestätigt hatten, selbst Teil und Inhalt der sexuellen Fantasie und der sexuellen Bedürfnisbefriedigung sind und dieses sexuelle Bedürfnis mit einer nicht sexuellen Handlung befriedigt wird? Etwa dem Zufügen von zehn oder fünfzehn Stichwunden? Reichen dann noch die juristischen Betrachtungsweisen oder müssen wir multikausal, interdisziplinär an diese Fragestellung herangehen? Ich meine, wir sollten. Schnell und sauber. Aber wie? Was ist, wenn wir der Lüge des 17-Jährigen, dass er seine eigene Großmutter in einer „allgemein begreiflichen und heftigen Gemütsbewegung“ niedergestochen habe, weil sie ihn seit zwölf Jahren gedemütigt, geschlagen und beschimpft habe, Glauben schenken? Was ist, wenn sich diese Lüge unenttarnt in die Akten einschleicht und jene, die mit dem jungen Mann über Ursache und Wirkung zu diskutieren haben, nicht wissen können, was an diesem Tage passiert ist, wenn sie einfach nur die Geschichte von ihm kennen? Was geschieht, wenn die Tarnung von Maurice unerkannt bleibt und die Katastrophe seiner frühen Kindheit eine Erklärung dafür bietet, dass er später Frauen geschlagen, umgestoßen und niedergestochen hat, wenn eines der dahinter stehenden Bedürfnisse der gewalttätigen sexuellen Fantasien, wie uns einer unserer „Experten“ gelehrt hat, nicht erkannt wird? Was ist, wenn seine Tarnung der Vorgangsweise auch den bohrenden Fragen der forensischen Psychiater und Therapeuten standhält, und was ist, wenn er nicht verglichen wird mit jenen, die ähnlich gelagerte Verbrechen begangen haben? Haben wir dann nicht die Grundlage und Basis für weitere Verbrechen? Nach sechs, sieben, zehn oder fünfzehn Jahren kommen diese Menschen aus dem Gefängnis und beginnen wieder dort, wo sie aufgehört haben, nur weil wir nicht zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle den richtigen Menschen die richtigen Informationen gegeben haben.
    Undenkbar. Und trotzdem mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass in der Vergangenheit immer wieder Menschen starben, Frauen vergewaltigt und Kinder umgebracht wurden, weil man nicht erkannt hat, wie gefährlich jemand ist.
    „Wie lange waren Sie draußen, bis Sie wieder straffällig geworden sind?“
    „Drei Tage.“

38.
Die Strategie …

    Das Mobiltelefon läutete gerade zum richtigen Zeitpunkt. Ich war aus dem Sicherheitsbereich des Hochsicherheitstraktes gekommen, aus jenem Gefängnis in Österreich, das ich immer wieder aufsuchte, um das eine oder andere Gespräch zu führen. Gerade als ich den Eingangsbereich der Vollzugsanstalt hinter mir ließ, läutete das Handy, kurz nachdem ich es wieder in Betrieb genommen hatte. Ich war noch unschlüssig, ob es eine der üblichen Informationen war, dass in der Zwischenzeit eine Nachricht aufgenommen wurde, oder ob es tatsächlich ein aktueller Anruf war, aber es stellte sich alsbald heraus, dass es sehr aktuell war.
    Eine feste Frauenstimme teilte mir mit, sie rufe im

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