Bestien
Thornton:
»Wenn Sie hier für ihn gearbeitet hätten, hätte ich der Idee
natürlich nie zugestimmt; ich habe nie geduldet, daß Leute sich
in meinem Unternehmen eigene Machtpositionen ausbauen.
Aber Sie haben hier nicht für Harris gearbeitet, wenigstens
nicht direkt, und er ist ein guter Mann. Wenn ich ihm die
Leitung von Forschung und Entwicklung anvertraue, dann muß
ich ihm auch vertrauen, daß er seine Mitarbeiter richtig
auswählt. Darum werden Sie umziehen.«
Es war keine Frage, sondern ein Befehl. Blake verstand
augenblicklich, daß ihm nicht ein neuer Posten angeboten
wurde; er wurde informiert, daß er einen hatte. Nicht, daß er
auch nur einen Augenblick daran gedacht hätte, ihn
abzulehnen. Abgesehen von der Tatsache, daß die Ablehnung
das Ende seiner Karriere bei Tarrentech bedeutet hätte, war
ihm wie jedem anderen bewußt, daß eine Berufung nach
Silverdale im Alter von achtunddreißig Jahren bedeutete, daß
er bereits für eine Spitzenposition ausersehen war. Und
Spitzenpositionen waren kaum irgendwo besser dotiert als bei
Tarrentech.
Er spürte instinktiv, daß es ein Fehler wäre, Thornton zu
fragen, von welcher Art seine Position in Silverdale sein
würde. Es gab nur eine Frage, die relevant war, also stellte er
sie.
»Wann reise ich ab?«
Thornton stand auf. »Sie melden sich heute in zwei Wochen
bei Harris, also werden Sie Ende nächster Woche dort sein
wollen. Die Vorkehrungen sind bereits in Angriff genommen
worden. Ein Haus wartet auf Sie, und nächste Woche werden
die Umzugsleute zu Ihnen nach San Marcos kommen, um die
Sachen zu packen.«
Blake schluckte; plötzlich schwindelte ihn. Was würde
Sharon dazu sagen? Sollte er die Sache nicht wenigstens mit
ihr besprechen? Aber sie wußte natürlich so gut wie er, daß es
ein Aufbegehren gegen Entscheidungen von oben bei
Tarrentech nicht gab, wenn man im Konzern Karriere machen
wollte. Außerdem war er nicht der erste leitende Angestellte,
der kurzfristig versetzt worden war. Er stand auf.
»Danke sehr, Mr. Thornton«, sagte er. »Ich weiß Ihr
Vertrauen in mich zu schätzen und werde Sie nicht
enttäuschen.«
Thorntons Brauen hoben sich ein wenig, und als er sprach,
war ein spröder Klang in seiner Stimme. »Ich habe Vertrauen
zu Jerry Harris«, sagte er. »Und Sie werden Jerry nicht
enttäuschen.« Dann lächelte er und streckte die Hand aus.
»Und nennen Sie mich Ted«, fügte er hinzu.
Das Gespräch war beendet. Alles in Blake Tanners und
seiner Angehörigen Leben hatte sich mit einem Schlag
verändert.
2
ERST ALS SIE GRAND JUNCTION auf der Bundesstraße 50
verließen und südwärts fuhren, begann Sharon Tanners
Stimmung sich zu heben. Zwei Tage lang, auf der Fahrt von
San Jose nach Reno und dann durch die scheinbar endlosen
Halbwüsten Nevadas und Utahs nach Salt Lake City, hatte sie
wie betäubt neben Blake auf dem Beifahrersitz des
Kombiwagens gesessen, und die öde Verlassenheit der
Landschaft hatte vollkommen ihrer freudlosen Stimmung
entsprochen.
Weniger als zwei Wochen, und alles war auf den Kopf
gestellt. Natürlich hatte die Notwendigkeit des Umzuges nicht
zur Diskussion gestanden. Schließlich hatten sie seit Jahren
über die Möglichkeit einer Versetzung gesprochen. Aber keiner
von ihnen hatte jemals ernstlich daran gedacht, daß eine
Chance bestünde, Blake könne nach Silverdale versetzt
werden. Silverdale war eine Forschungseinrichtung, und sie
waren immer der Meinung gewesen, daß Blakes Spezialisierung auf dem Marketingsektor ihm den Quantensprung
innerhalb des Konzerns verwehren würde, den eine Aufgabe in
Silverdale darstellte.
Und doch war es geschehen, und während der nächsten zehn
Tage, bis die Möbelspediteure gekommen waren, hatte Sharon
mehr als genug mit den ungezählten Einzelheiten der
Abwicklung ihrer Angelegenheiten in San Marcos zu tun und
keine Zeit gehabt, sich um ihre Gemütslage zu kümmern.
Erst jetzt, als sie auf kurvenreicher, ansteigender Straße
durch die Vorberge der Rocky Mountains fuhren, wurde ihr
allmählich die Wirklichkeit alles dessen bewußt, was
geschehen war. Und als die Landschaft ringsumher eine
majestätische Schönheit annahm, regten sich in Sharon zum
ersten Mal frohe Empfindungen.
Die Aussicht auf den plötzlichen Umzug hatte von ihnen
allen nur Blake scheinbar unberührt gelassen.
Mark hatte die Ortsveränderung sofort mit Begeisterung
aufgenommen. Für ihn hatte es von Anfang an keinen Zweifel
daran gegeben, daß die Vorteile die Nachteile überwogen;
schon die Aussicht,
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