Bestimmung
nichts. Gernot begleitete mich stets - immerhin das war Ihm noch wichtig!
Ich half Margret im Haushalt, saß stundenlang einfach nur in der Stube und starrte ins prasselnde Feuer. Wenn Er von der Arbeit kam, versuchte ich wirklich alles, Seine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Ich zog meine schönsten Kleider an, schminkte mich, war so unterwürfig, wie ich nur konnte; es fiel Ihm nicht auf und wenn doch, sagte Er nichts. Ich beging absichtlich Verfehlungen, ließ sein Essen anbrennen oder servierte es zu kalt. Was früher eine schallende Ohrfeige und andere Bestrafungen nach sich gezogen hatte, jetzt reagierte Er noch nicht mal. Dann fing ich an, mich auszuziehen, nur noch nackt herum zu laufen; ich zog die Schuhe mit den hohen Absätzen an, ich bückte mich absichtlich vor Ihm um Brösel vom Boden aufzuheben oder stellte mich ganz dicht hinter Ihn, wenn ich Ihm sein Essen brachte und streifte Ihn mit meinen nackten Brüsten... aber es half nichts, außer einem distanzierten, höflichen Lächeln, bekam ich keine Reaktion.
Die Tage vergingen, mein 19. Geburtstag kam und wenn ich auch schon alle Hoffnung aufgegeben hatte, so war doch dieser kleine Funke geblieben, wenigstens an diesem Tag etwas besonderes zu bekommen. Bekam ich auch. Wir stiegen in die Kutsche und fuhren in ein Wirtshaus. Das Beste im Ort, natürlich, das Essen war fantastisch und ich bekam ein Armband und später zu Hause einen neuen Sattel für mein Pferd. Kein Kommentar übers Einreiten, keine anzüglichen Bemerkungen; alles, was ich an Liebesbekundungen bekam, war ein Kuss und ein „alles Liebe, Alexandra!“
Es war schrecklich, so neben dem Mann meiner Träume zu sitzen und dieses steife Miteinander auszuhalten. Jede Nähe, die einmal zwischen uns so wunderbar selbstverständlich existiert hatte, war verflogen. Ich verkümmerte innerlich immer mehr, sehnte mich so schrecklich nach Ihm, meinem Herrn. Wir hatten seit diesem unsäglichen Vorfall mit Andreas kein einziges Mal mehr miteinander geschlafen. Hatte Er eine Andere? Konnte Er mir nur meinen Ungehorsam immer noch nicht verzeihen oder war es sogar noch schlimmer und Er hatte das Interesse an mir verloren? Ich hatte es damals befürchtet, dass ein Mann wie Richard McKinley nur Spaß am Einreiten haben würde, aber nichts für die Dauer sei und so war es dann also gekommen?
Wäre ich an diesem furchtbaren Abend nur länger fort geblieben, hätte ich mich doch nur länger gewehrt, hätte ich Andreas bloß nicht so bereitwillig bedient. Oder noch besser, wäre ich doch bloß nie fortgelaufen. Aber jetzt war es zu spät und ich wusste nicht weiter. Ich war so schrecklich durcheinander, Er fehlte mir so sehr und ich verlor mich völlig in meinen Gedanken.
Ich schämte mich, ich fühlte mich so furchtbar machtlos. Ich hatte mich doch entschuldigt, Ihm gezeigt, dass ich Ihn begehrte, was sollte ich denn sonst noch tun? Es war so ungerecht und auch so aussichtslos. Er hatte mich verstoßen, Er wollte mich nicht mehr, Er war meiner überdrüssig. Wie konnte ich so weiterleben, mit dem Mann, den ich zwar über alles liebte, der mich aber nicht lieben wollte, mich abstoßend fand?
Vom Weinen aus Enttäuschung und Hass gegen mich selber und vom endlosen Grübeln über Ihn und mich erschöpft, schlief ich irgendwann tief in der Nacht endlich ein.
Auch in den nächsten Tagen kam ich mit meinem Problem nicht weiter, ich war am Verzweifeln. Ich schwankte zwischen Wut auf Ihn, weil Er mich nicht beachtete und Ärger auf mich, weil ich an all dem Elend schuld war, hin und her. Ich wusste einfach nichts mit mir anzufangen. Aber je länger diese Zeit der Stille zwischen meinem Herrn und mir andauerte, desto trauriger und verzweifelter wurde ich, bis ich zum Schluss in tiefes Selbstmitleid versank. Alle Energie war aufgebraucht. Ich hatte zu nichts mehr Lust, verkroch mich in unserem Schlafzimmer und weinte die meiste Zeit still vor mich hin. Ich wollte nicht mehr aufstehen und die Tage hatten keinen Sinn mehr für mich...
Kapitel 24
An Weihnachten raffte ich mich auf und wir besuchten gemeinsam meinen Vater in seiner neuen Wohnung in der Stadt. Auch meine Brüder waren dabei. Daniel und Simon waren verheiratet und während ich Daniels Frau Simone ansehen konnte, dass sie glücklich war, war Simons Frau Michelle am Ende ihrer Kräfte. Ich wusste ja, wie gemein und eklig mein Bruder war, er hatte es mir damals nur zu gut bewiesen und die Spuren eines blauen Auges in ihrem Gesicht
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