BETA (German Edition)
entdecke ich in seinen haselnussbraunen Augen das Funkeln, das seine Freunde seit dem Unfall so vermissen. »Setz dich auf meinen Schoß.«
Die Clique applaudiert. »Das ist unser alter Tahir!«, sagt Farzad.
»Ich fühl mich wohl«, sagt Tahir. »Anders. Alles ist auf einmal viel weicher.«
Ivan stupst mich in den Arm. »Mach schon. Setz dich auf Tahirs Schoß, wie er gesagt hat.«
Tahir sitzt im Schneidersitz im Sand. Ich stehe auf, setze mich zu ihm und schmiege mich an ihn. Noch nie war ich einem Jungen – und einem Menschen – so nahe wie jetzt. Ich glaub nicht, dass es das Raxia ist, was dieses berauschte Gefühl in mir auslöst. Nein, es ist Tahirs Nähe. Ich lehne mich zurück und spüre an meinem Rücken die nackte Haut seines Oberkörpers. Ich spüre seinen Atem in meinem Nacken, genau an der Stelle, an der Beta eintätowiert ist. Meine Haut brennt.
»Küss sie, Tahir!«, fordert Demenzia ihn auf.
»Ja, damit die Beta endlich richtig zu was gut ist«, sagt Farzad.
Ivans Gesicht wirkt auf einmal hart und kantig. »Wenn du sie küsst, kriegst du’s mit mir zu tun, Alter.« Entsetzt blicken alle zu Ivan, der auf einmal schrill auflacht. »Haha, nur Spaß!«, sagt Ivan. »Mach mit der Puppe, was du willst, Tahir.«
Tahir legt mir den Arm um die Schulter und dreht mein Gesicht zu sich, sodass er mir in die Augen sieht. Ich dürfte das nicht. Dürfte nicht wollen, dass es geschieht. Aber ich will es. Meine Blicke gleiten zu Ivan. Er nickt. Trotz seiner gekränkten Miene erlaubt er es mir.
Tahirs volle korallenrote Lippen öffnen sich leicht und meine tun es ihm nach. Sein Gesicht nähert sich meinem, näher … näher … näher … und dann … Magie! Seine Lippen drücken sich sanft gegen meine, unsere Münder treffen sich, erforschen sich. Mein Herz klopft so heftig, dass ich Angst habe, es könnte mir jeden Augenblick aus der Brust springen. Wenn das Raxia ist, dann möchte ich davon mehr und immer mehr.
Die Clique klatscht begeistert Beifall. »Das ist unser Tahir!«, sagt Farzad.
Tahirs Mund gleitet über meinen Hals und knabbert an meinem Ohr. Leise, sodass keiner von den anderen es hören kann, flüstert er mir ins Ohr: »Du bist das schönste Mädchen, das ich jemals gesehen habe. Du bist so besonders. So anders als alle anderen Mädchen. Mit dir fühle ich mich lebendig, Elysia.«
Neunzehntes Kapitel
I ch bin zum ersten Mal geküsst worden. Und genauso schnell ist das alles wieder vergessen.
»Unsinn. Klone gehen nicht auf Partys, sie bedienen dort«, sagte der Governor, als Mutter ihm vorschlug, mich auch zu Tahirs Geburtstagsparty auf dem Anwesen der Fortesquieus mitzunehmen.
Vielleicht wäre ich nicht der Star der Gästeliste, aber dafür kann ich mit etwas aufwarten, wovon die übrigen Gäste nichts ahnen. Ich weiß, dass ich Tahirs schönstes Geburtstagsgeschenk bin, weil ich nämlich das einzige Mädchen bin, mit dem er sich seit seinem schlimmen Unfall so richtig lebendig gefühlt hat. Zumindest war das so, bis das Raxia seine volle Wirkung entfaltet hat und Tahir weggedriftet ist. Als er danach zu sich kam, war er wieder ›der totale Langweiler‹, wie Demenzia ihn nur noch nennt. Als wäre ein Schalter in ihm umgelegt worden, der seine Lust und Lebensfreude ausgeknipst hat. Aber ich werd das schon wieder ändern. Ich weiß, dass ich es kann.
Ivan und Farzad spekulierten später darüber, ob es wohl das Testosteron in Ivans Raxia-Mix gewesen war, was in Tahir wieder seine Lebenslust und seinen Hang zum Draufgängertum hervorgekitzelt hatte. Ich mag es, wenn Tahir draufgängerisch ist. Mir meine Enttäuschung darüber anmerken zu lassen, nicht zu seiner offiziellen Geburtstagsfeier eingeladen worden zu sein, wäre jedoch höchst unangebracht und vor allem auch überflüssig. Was ich mit Tahir erleben möchte, geht nur uns beide was an; dafür braucht es beim nächsten Mal keine anderen Leute um uns herum. Wenn es ein nächstes Mal gibt. Ich möchte so gern, dass es ein nächstes Mal gibt.
Während die Familie des Governor auf der Party ist, werde ich – die im Haus zurückgelassene Beta – mich allein vergnügen. Kaum sind sie fort, stürze ich zum Pool. Ich nehme Anlauf, mache einen Kopfsprung und schwimme ein paar Bahnen, bevor ich an der Ecke auftauche, wo Xanthe am Beckenrand sitzt und vorsichtig ihre Beine ins Wasser baumeln lässt. Ich spritze sie voll. »Komm rein!«
»Ich werde ertrinken«, sagt sie.
»Wirst du nicht«, sage ich. »Geh einfach an der Seite hier
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