BETA (German Edition)
Holografie auf dem Anwesen der Fortesquieus, das bestimmt nicht.
Ich halte Tahir fest und deute auf den Mann. »Wer ist das?«
Tahir schließt die Augen, als er sich krampfhaft zu erinnern versucht. »Warte. Sein Name wurde in meinen Erinnerungslektionen erwähnt. Ich bin mir nicht ganz sicher. Vielleicht Alexander? Bei den Wettbewerben war er ein Gegner meines First. Warum fragst du?«
»Er sieht wie der Mann aus, der mir immer wieder erscheint. Der von meiner First.«
»Wie überflüssig und unnötig«, sagt Tahir.
Vielleicht hat Tahir ja recht. Plötzlich interessiert mich dieser Surfergott überhaupt nicht mehr. Er ist ein Gespenst, das aus meinem Unbewussten verbannt werden muss.
Der Surfergott gehört zum Leben meiner First.
Ich will mein eigenes Leben.
Erst recht, wenn ich bald sterben muss.
Tahir und ich betreten den FantaSphere-Raum.
»Sollen wir heute LoveStory spielen?«, fragt Tahir.
»Ja, bitte.«
Unbedingt , denke ich.
Er wählt im Spielverzeichnis LoveStory aus. »Welcher Hintergrund?«, fragt er.
Ich habe das Spiel vorher schon oft mit Liesel gespielt, Prince Chocolate war auch hier immer unser Held. Automatisch will ich mir schon die Honeymoon-Suite als Hintergrund aussuchen, einen Bungalow auf einer tropischen Insel, der auf Stelzen in einer saphirblauen Lagune steht. Im Innern ist alles weiß und rosa und außerdem gibt es noch eine Zuckerwattemaschine. Liesel ist fest davon überzeugt, dass jedes Paar auf Hochzeitsreise so eine Maschine unbedingt braucht. Draußen führen Stufen von der Eingangstür direkt ins Wasser der Lagune, in dem es vor regenbogenfarbenen Fischen nur so wimmelt, die einem gern an den Zehen herumknabbern und einen kitzeln. Über dem blauen Wasser wölbt sich tiefblauer wolkenloser Himmel, der weiße Sandstrand einer Bucht ist zu erkennen, Kokospalmen, alles in herrliches Sonnenlicht getaucht. Eine sanfte Brise weht.
Aber von diesem Paradies habe ich genug. Und ich brauche diesmal Prince Chocolate nicht mit Liesel zu teilen. Der Prinz neben mir gehört mir ganz allein, und er ist aus echtem Fleisch und Blut, auch wenn er wie ich ein Klon ist. Und unser Spiel muss nicht auf einem kinderfreundlichen Level gespielt werden.
»Biome City«, sage ich.
Mit einem Schlag befinden wir uns in der Penthouse-Suite des Green Cactus Hotel, BC s berühmtestem Luxushotel, das in Form eines hochaufragenden Kaktus gebaut ist, mit Balkonen, die aus der Ferne wie Kaktusstacheln aussehen. Tahir hakt seinen Zeigefinger in meinen und führt mich ans große Panoramafenster der Suite, damit wir gemeinsam den Blick auf die Stadt genießen können. Am Nachthimmel funkeln die Sterne, und die hohen Bürotürme der Stadt, echten Bäumen nachempfunden, antworten darauf mit jadegrünen Lichtern an ihren Spitzen. Jenseits der City, wo die wichtigsten Geschäfte auf dem Mainland abgeschlossen werden, erstrecken sich lange prachtvolle Straßen, die zu den Wohnvierteln führen. Sämtliche Wohnanlagen sind dort in biomimetischen Verfahren wie Termitenbauten, Ameisenhügel oder Bienenwaben konstruiert. Wohnraum und Lebensweise der Menschen haben sich den Vorbildern im Käfer- und Insektenreich angeglichen. Hinter den Vorstädten ragen pyramidenförmige Dünen auf, sodass man den Eindruck hat, sich in einer streng bewachten Wüstenfestung zu befinden.
Tahir zieht seine Hand einen Augenblick weg, um das Fenster zu öffnen. Frische trockene Luft, die nach Wüstenblumen duftet, strömt herein. Dann legt er seinen Arm um mich. Ich spüre seine Hand auf mir. Ich schmiege mich an ihn.
Unsere Chips sind so programmiert, dass wir beide wissen, was nun als Nächstes zu geschehen hat.
»Und deine Eltern?«, frage ich.
»Die werden uns nicht stören. Sie wollen ja, dass wir Zeit miteinander verbringen. Niemand wird plötzlich hereinplatzen, das versprech ich dir. Wir haben die ganze Nacht für uns, alle Nächte, die du hier verbringst.«
Ich fühle mich geborgen. Es tut so gut, seine Wärme und Stärke zu spüren. Was ich jetzt hier mit Tahir fühle, das will ich. Es ist meine eigene freie Entscheidung. Ich spüre, dass ich dieselben Bedürfnisse wie andere Teenager auch habe, und ich will sie ausleben. Nur dass ich mir über manche Dinge keine Gedanken machen muss. Und außerdem, wenn unser Leben als Teen-Betas tatsächlich so kurz ist, warum nicht ein paar Nächte lang LoveStory spielen, bevor wir in die Phase eintreten, in der uns die Erwachsenen nicht mehr ertragen?
»Warum ich?«, frage ich Tahir.
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