BETA (German Edition)
unendlichen Nachthimmel mit den Abertausenden von funkelnden Sternen und unter uns auf die wie Bienenwaben konstruierten Wohnungen des Honey Quarter, wo wir durch die großen Fenster die Bewohner bei ihren abendlichen Ritualen beobachten können: Essen kochen, die Kinder ins Bett bringen, sich lieben.
Ich schmiege meinen Kopf in Tahirs Halsbeuge. Er nimmt meine Hand, legt sie auf sein Knie und dann seine Hand darüber. Er beugt sich zu mir, um mir einen Kuss auf die Wange zu geben. Weil er deswegen einen Augenblick abgelenkt ist, kracht der Hovercopter in ein Bienenwaben-Apartmentgebäude hinein. Aber das ist der Vorteil, wenn man als unerfahrener Klon in der FantaSphere ein Flugzeug steuert: Bei einem Unfall passiert nichts. Der Copter prallt von dem Gebäude ab, als wäre es aus Gummi, und die Bewohner werden nicht gestört. Trotzdem schaltet Tahir nach diesem Vorfall lieber auf Autopilot, damit wir ungestört weiterschmusen können.
Unsere Küsse sind langsam und forschend und führen nach einer Weile unvermeidbar zum Wunsch nach mehr Berührung. Als klar wird, dass wir im Sitzen diesen Bedürfnissen nicht nachkommen können, ruft Tahir: »Land! Sanddünen!«
Der Hovercopter landet ohne unser Zutun auf einer der pyramidenförmigen Sanddünen außerhalb der Stadt. Tahir und ich steigen aus und lassen uns in den Sand fallen. Er legt sich mit seinem ganzen Körper auf mich, nimmt mein Gesicht in seine Hände und schaut mich mit seinen haselnussbraunen Augen eine Ewigkeit an. Ich öffne den Mund für einen weiteren Kuss, aber ihm ist nach Reden zumute.
»Ich bin so unendlich traurig«, sagt er. »So sehr, dass es wehtut. Es ist so schrecklich. Wie überleben die Menschen das denn?«
»Was denn?«, frage ich. Meine Hand streicht über seine frischen Bartstoppeln. Ich wollte so sehr, dass er Gefühle spürt, aber nicht Trauer oder Verzweiflung. Bei dieser Vorstellung krampft sich mir das Herz zusammen.
»Ich will nicht, dass wir getrennt werden. Mrs Bratton, die du Mutter nennst, hat Bahiyya mitgeteilt, dass sie gerne über unser Angebot nachdenkt, aber vor dem Ball könne noch nichts entschieden werden. Ich bin mir sicher, dass sie Zeit herausschlagen will, um den Preis für dich in die Höhe zu treiben. Aber warum kannst du dann nicht gleich hierbleiben?«
»Ich will auch nicht dorthin zurück«, sage ich. Was in der Villa des Governor auf mich wartet, erzähle ich ihm nicht. Dass der Herr des Hauses mich zu seiner Gespielin machen will. Dass es Mutter egal wäre, wenn sie mich vom Felsen ins Meer stoßen würden.
»Ich bin so traurig, dass du gehen musst. Und es macht mich unglaublich wütend – ja rasend vor Wut! –, dass sie dich als ihr Eigentum betrachten. Aber trotzdem –« Tahir hält inne und holt tief Luft, als habe er schweren Herzens einen Beschluss gefasst. »– trotzdem ist es vielleicht sogar besser so. Ich brauche nämlich etwas Zeit.«
»Warum?«
»Wenn du dauernd um mich bist, kann ich nicht denken. Ich will immer nur dich spüren. Ich will immer nur mit dir zusammen sein. Jetzt hat sich mir erst das Leben mit allen seinen Reichtümern offenbart und ich will es mit dir leben. Aber dazu brauchen wir einen Plan. Dafür muss ich angestrengt nachdenken. Wenn ich durch dich dauernd abgelenkt bin, gelingt mir das nicht.«
Ich verstehe, dass er Kraft braucht, um sich ganz auf eine Sache konzentrieren zu können. Mir ging es ja genauso, nur so habe ich den perfekten Sprung vom 10-Meter-Turm zustande gebracht. Indem ich alles um mich herum ausgeblendet habe, auch ihn.
»Wofür einen Plan?« Ich schaue ihm in die Augen, die gerade eben noch so weich und verträumt wirkten. Jetzt funkeln sie wütend und wild entschlossen.
»Mir ist so vieles klar geworden. Wir sind niedrigere Wesen als die Menschen. Zumindest sehen die Menschen das so. Aber unsere Gefühle zählen doch ganz genauso. Wir haben keine Ahnung, wie viel Zeit uns noch bleibt, bevor unsere Hormone verrücktspielen. Deshalb müssen wir unbedingt alles erfahren und kennenlernen, was sie uns verbieten wollen. Alles, was sie uns nie erlauben werden, bevor sie uns dann schließlich ausschalten.«
»Vielleicht können wir diese Phase ja überleben. Vielleicht finden wir selbst eine Therapie dafür.«
»Kann sein, vielleicht. Aber wir haben nur dann eine Chance, wenn wir fliehen. Ich werde für uns beide einen Fluchtplan ausarbeiten.«
»Flucht? Was ist mit deinen Eltern? Sie lieben dich doch so sehr.«
»Ich weiß. Das begreife ich
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