BETA (German Edition)
allmählich auch. Mir gefällt es auch nicht, dass ich ihnen dadurch großen Kummer bereiten werde. Aber ich muss es unbedingt tun. Sonst werde ich nie eine eigene Identität entwickeln können. Ich will mein eigenes Leben führen. Und ich will es mit dir teilen. Du bist jetzt ein Teil von mir. Ich will dich nicht verlieren. Geht es dir nicht umgekehrt auch so?«
Wie oft habe ich dieses Wort schon gesagt, damit die Menschen mit mir zufrieden waren. Aber diesmal sage ich es das erste Mal für mich selbst und für Tahir und alle Klone: »Ja!«
Auf den Jubel folgt jedoch gleich die Ernüchterung. »Aber … wie wollen wir das anstellen?«, frage ich.
»Wir werden zusammen fortfliegen. Ich werde Tag und Nacht am Flugsimulator trainieren, damit ich auch einen echten Hovercopter steuern kann. Dann bringe ich uns im Flugzeug meiner Eltern von hier fort.«
»Wohin?«
»Keine Ahnung. Ist das wirklich wichtig?«
Nein. Solange wir nur zusammenbleiben.
»Ich habe darüber in einem Buch von First Tahir gelesen. Die Franzosen nennen es la petite mort .« Tahir streicht mir zärtlich über meine blonden Haare. Die Sonne geht gerade über unserem Bett aus Sand auf. Wir sind in den Armen des anderen aufgewacht. Der Hovercopter ist in der Nähe geparkt und wartet darauf, uns in die Wirklichkeit von Zeit und Raum zurückzubringen. »Was man empfindet, wenn man jemanden liebt, und sich dann aus seinen Armen löst. Das nennen sie den kleinen Tod. «
Ich lache leise. »Was verdammt Schönes«, murmle ich. Jetzt verstehe ich, was Greer meint. Der Augenblick, wenn der ganze Körper von Glücksgefühl erfasst wird, wie Wellen, die sich in einem ausbreiten. Es ist so schön. Es ist so verdammt schön. Danke, Demenzia, für die Raxia-Pillen.
»Ich würde lieber gleich ganz sterben, als diesen kleinen Tod nicht erfahren zu haben. Er ist unsere Freiheit!«
»Ja.«
Unser Fluchtvorhaben ist jetzt mit dem Wunsch nach einem Tod verbunden, der Leben bedeutet.
Wir haben einen Pakt geschlossen.
Wir werden handeln.
In den Gewässern von Ion und hier auf den Sanddünen der FantaSphere haben wir uns unsere Liebe gestanden. Wir haben zusammen die Erfahrung von la petite mort gemacht. Aber rein technisch gesprochen haben wir den Akt noch nicht vollführt, für den die Menschen so viele unterschiedliche Bezeichnungen haben, die alle dasselbe meinen. Sex. Miteinander schlafen. Das verdammt Schöne. Es miteinander tun.
Tahir und ich haben beschlossen, miteinander zu fliehen, um unser eigenes Leben zu beginnen.
Wir werden es erst tun, wenn wir frei sind.
Zweiunddrei ß igstes Kapitel
Z urück in der Villa des Governor fühle ich mich so, als wäre ich wirklich Astrid – ich habe sie alle überhaupt nicht vermisst, während ich weg war. Umgekehrt scheint meine Abwesenheit im Trubel der Vorbereitungen auf den morgen stattfindenden Governor-Ball kaum bemerkt worden zu sein. Der ganze Haushalt befindet sich in hellster Aufregung. Noch nie habe ich die Bediensteten mit den fuchsiaroten Augen so hektisch hin- und herrennen sehen, noch nie waren alle so beschäftigt.
Ich fliehe augenblicklich in mein Zimmer, das noch nicht einmal richtig mein Zimmer ist. Hier werde ich warten, bis Mutter nach mir rufen lässt. Ich muss nur noch kurze Zeit hier aushalten, sage ich mir immer wieder. Und dass keiner mich daran hindern kann, diesen Raum zu meiner eigenen privaten FantaSphere zu erklären, in der ich von Tahir träume.
Aber eine Privatsphäre gibt es für mich nicht. Ivan stürmt herein, verschwitzt und blass im Gesicht. Er schließt hinter sich die Tür und wirft sich mit seinem ganzen Körper dagegen, als wolle er sich selbst wehtun – als wolle er sich beweisen, dass er den Schmerz aushalten kann. »Rate mal, was passiert ist!«
Ich zucke mit den Schultern. Diese Menschen mit ihren dauernden Ratespielchen fangen allmählich an, mich zu langweilen.
»Der Aquino hat auf der Insel eine große Razzia veranstaltet. Sie haben nach Raxia gesucht und auf der Baustelle in Heaven in einem Versteck einen großen Pillenvorrat gefunden.«
»Wow!«, sage ich.
Mir ist überhaupt nicht nach Wow! . Das Klon-Spielzeug der Brattons hat wahnsinnige Sehnsucht nach seinem Klon-Gefährten und möchte sich am liebsten aufs Bett werfen und wie ein Kleinkind heulen.
»Und stell dir vor, Dad hat das komplette Raxia hier bei uns im Haus in seinem Safe. Und ich kenne die Zahlenkombination! Es ist so viel, dass keiner merkt, wenn ich ein paar Pillen davon beiseiteschaffe
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