BETA (German Edition)
Kalt. Zu sicher. Ich gehe weiter zum 7-Meter-Turm. Da regt sich schon mehr. Lauwarm. Schließlich stehe ich am 10-Meter-Turm und mein ganzer Körper fängt an zu kribbeln. Heiß. Das hätte Z sich ausgesucht. Sie wäre von einem 10-Meter-Turm gesprungen. Höchster Schwierigkeitsgrad, höchstes Risiko.
Ich steige die Stufen hoch, spüre den nassen, harten Beton unter meinen nackten Fußsohlen, und alles kommt mir merkwürdig vertraut vor, ich fühle mich hier wie zu Hause, ich freue mich auf den Sprung. Obwohl ich noch nicht ins Wasser eingetaucht bin, spüre ich, wie der Geist meiner First aus dem Becken bis zu mir hoch reicht. Das erste Mal gelingt es mir, mit ihr außerhalb des Wassers Kontakt aufzunehmen. Tu es für mich , bittet sie. Weil ich es nicht kann.
Ich erreiche die oberste Stufe und stehe jetzt auf der Plattform. Aus zehn Metern Höhe blicke ich auf das Becken und die Zuschauertribünen hinunter. Einen Moment lang nehme ich Paris in mich auf, das im Sonnenuntergang unter einem rosafarbenen Himmel daliegt. Der Eiffelturm ragt in der Ferne über den Hausdächern auf. Dann konzentriere ich mich kurz auf die Zuschauer, die aus aller Welt gekommen sind. Sie sind von unterschiedlicher Statur und Hautfarbe, aber haben alle fuchsiarote Augen. Sie sind von derselben Art wie ich. Meine Leute. Ich zoome auf den wichtigsten Zuschauer in der Menge, der in der ersten Reihe in der Mitte sitzt. Seine Augen sind haselnussbraun, seine Haare halb zu Zöpfen geflochten. Er schaut mich erwartungsvoll, vielleicht sogar stolz an. Er lässt das Megawattgrinsen seines First aufblitzen, verändert dann aber schnell seinen Gesichtsausdruck und zieht mit ernster Miene eine Augenbraue leicht hoch, wie um mir zu sagen: Dieses Lächeln beherrsche ich jetzt. Ich finde ihn sehr sexy. Er reckt den Daumen hoch, um mich anzufeuern, und mein Herz jubiliert, weil es da in der Menge jemanden gibt, der an mich glaubt. Ich recke als Antwort ebenfalls den Daumen hoch und gehe zum Ende der Plattform vor.
Jetzt muss ich Tahir vergessen und mich ganz auf den Sprung konzentrieren. Die Energie sammeln. Ich stehe vorne an der Kante – ich schwebe über der Stadt und über dem Zentrum des Lebens meiner First, dem Pool – und mache mich leer, bis ich nichts um mich herum mehr wahrnehme. Ich bin jetzt sie, lasse ihre Konzentration vor dem Sprung von mir Besitz ergreifen. Nichts anderes gilt mehr als der Sprung. Doch in dieses Nichts drängt sich immer wieder ein vertrautes Gesicht – der blonde Surfer mit den türkisblauen Augen. Da begreife ich, was ihr passiert ist. Sie hat beim Sprung versagt, weil sie sich von ihm ablenken ließ.
Geh weg , befehle ich ihm. Er beugt sich meinem Willen. Mein Geist kehrt wieder zum Nichts zurück. Ich werde mich von ihm nicht ablenken lassen. Ich werde diesen Sprung perfekt ausführen. Ich werde das für Z tun und besser als sie. Ich werde alle meine Fähigkeiten als Teen-Beta einsetzen, um eine perfekte Vorstellung zu geben.
An der Kante der 10-Meter-Plattform platziere ich die Hände auf dem Untergrund und ziehe meine Beine langsam nach oben. Fünf Sekunden lang halte ich mich dort, während ich im Kopf noch einmal blitzschnell meinen Sprung ablaufen lasse. Fünf … vier … drei … zwei … eins. Ich drücke mich mit den Händen ab, vollführe erst einen, dann noch einen Salto, strecke dann den Körper von den Finger- bis zu den Zehenspitzen und gleite fast ohne Aufspritzer ins Wasser.
Ein makelloser Sprung.
Unter Wasser verspüre ich Erleichterung und Stolz. Ich habe das für Z getan, aber auch für mich. Auf dem Grund des Pools bin ich nicht allein. Aber als diesmal das Gesicht des Geliebten von Z vor mir auftaucht, hat es sich verwandelt. Die blonden Haare sind zu Zöpfen geflochten und die Augen haselnussbraun. Es verschmilzt mit dem Gesicht, das ich mir wünsche. Und seine raue Stimme sagt nicht Du weißt, dass ich dir gehöre, Z , sondern ich höre Tahirs Stimme, wie er mich fragt: Warum sollte irgendjemand dich besitzen?
Tahir ist an der Reihe. Er darf sich unser letztes FantaSphere-Spiel wünschen. Von Paris wechseln wir nach Biome City.
»Hovercopter BC «, sagt er. »Da wir ohne Menschenüberwachung in der wirklichen Welt nicht fliegen dürfen, müssen wir es jetzt hier tun. Nur wir beide.«
Tahir steuert den Hovercopter in niedriger Höhe über das Honey Quarter in BC . Decke, Boden und Seitenwände des Copter sind aus Plexiglas, sodass wir überallhin freie Sicht haben – über uns auf den
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