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BETA (German Edition)

BETA (German Edition)

Titel: BETA (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rachel Cohn
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weit. Ich habe keine Ahnung, wohin es führen soll, wenn ich dich rauslasse.
    »Und glaubst du jetzt, dass du was Besseres bist als wir, weil du bei den Fortesquieus zu Gast warst?« Das meint er nur im Spaß, denke ich.
    »Ich war dort nicht zu Gast. Ich war dort als Dienstklon. Zu Tahirs Unterhaltung.«
    »Vielleicht hast du deinen Job ja zu gut gemacht. Ich hab gehört, dass sie dich uns jetzt abkaufen wollen.«
    »Wir können ja trotzdem zusammen unser Fitnesstraining machen, wenn du Heimaturlaub von der Base hast«, schlage ich vor.
    Ivan mustert mich verärgert, als hätte ich etwas falsch gemacht, obwohl ich ja nur meine Aufgabe als Beta auch bei den Fortesquieus perfekt erfüllt habe. »Uns hast du zuerst gehört«, ruft er, als er das Zimmer verlässt.
    Nachdem Ivan gegangen ist, lasse ich den Blick über die leeren Wände wandern, zum Fenster und hinaus zu dem Pfad, der zum Felsabhang der Steilküste führt, wo meine Freundin Xanthe in den Tod gestoßen wurde. Ich kann nicht so tun, als wäre das hier meine private FantaSphere, in der ich virtuell mit Tahir zusammen bin. Das Zimmer ist ein Gefängnis.
    Ich gehe in Astrids Zimmer und setze mich an ihren Schminktisch. Ich betrachte mich im Spiegel. Meine fuchsiaroten Augen, meine hohen Wangenknochen, meine Pfirsichhaut – alles für mich geschaffen, aber bin das alles wirklich ich? Ich bin nur die Replik eines anderen Wesens. Wie kann ich für mich eine eigene Identität beanspruchen, ohne den Menschen damit gleichzeitig zu sagen : Ich bin defekt, ein kaputter Klon. Bitte foltert mich und schaltet mich aus!
    Wir sind niedrigere Wesen als die Menschen. Aber unsere Gefühle zählen doch ganz genauso.
    Ich erinnere mich an Tahirs Worte, als ich über meine langen blonden Haare streiche, die mir bis über die Schulter reichen. Ich wickle mir eine Strähne um den Zeigefinger. Mutter flicht diese Haare so gern zu einem Zopf.
    Ich hasse es, wenn mir die Haare geflochten werden. Hasse es.
    Mutter denkt, dass meine Haare ihr gehören. Ivan denkt, dass ich ihm ganz gehöre.
    Sie glauben nicht nur, dass ich ihnen gehöre. Sie besitzen mich tatsächlich. Das ist eine Tatsache.
    Diese Tatsache werde ich ändern. Ich werde mich ändern.
    Ich ziehe die Schublade des Schminktischs auf und finde dort eine Schere. Ich nehme eine Strähne, die mir über die Stirn fällt, zwischen die Finger und schneide sie ab. Ich werde mir einen Pony schneiden. Schnipp. Schnipp. Schnipp. Ich schaue in den Spiegel. Der Pony hängt mir in die Augen. Das reicht noch nicht. Ich muss mir noch mehr Haare abschneiden. Ich fahre mit der Schere zum Hinterkopf und schnipple drauflos. Ein wahres Gemetzel. Schnipp. Schnapp. Weg damit. Mit jeder langen blonden Haarsträhne, die zu Boden fällt, fühle ich mich freier.
    Ich werde eine eigenständige Persönlichkeit werden, ob es ihnen gefällt oder nicht.
    Mutter hat mich in ihr Arbeitszimmer rufen lassen.
    Als ich den Raum betrete, sitzt sie über ihren Schreibtisch gebeugt da und geht gerade die Gästeliste für den Governor-Ball durch. Sie blickt nicht hoch, sondern sagt zu mir nur: »Na, Schätzchen. Da warst du wohl bei den Fortesquieus ein voller Erfolg?«
    »Ja, Mutter«, sage ich.
    »Es ist schon eine Schande. Jetzt werde ich nicht anders können, als dich zu verkaufen. Mein Prestige bei den Fortesquieus hast du zwar gesteigert, aber um welchen Preis. Ich hatte nicht damit gerechnet, dich für immer ziehen lassen zu müssen. Aber dieser Familie eine Bitte abzuschlagen kommt für den Governor nicht infrage. Das erlaubt er mir nicht.«
    »Ja, Mutter.«
    Ja! Ja! Ja!
    Mutter blickt vom Schreibtisch hoch. Vor Schreck reißt sie die Augen weit auf und der Unterkiefer klappt ihr herunter. Sie deutet mit dem Ziegefinger auf mich. »Ich hab dir doch vorher gesagt, dass Bahiyya mich erst fragen soll, bevor sie an dir irgendetwas verändert.« Sie steht abrupt auf, geht auf mich zu und fährt mit den Fingern durch meine frisch geschnittenen Haare. Ohne die lange blonde Mähne, die Mutter so gefiel, fühle mich bereits viel freier. Mein neuer Kurzhaarschnitt ist wild, wirr und rebellisch – in allem das Gegenteil zur langweiligen gepflegten Erscheinung der Klone auf Demesne. »Mein Gott, Bahiyya hat ja einen fürchterlichen Geschmack«, sagt Mutter. »Ist das in BC jetzt der letzte Schrei?«
    »Keine Ahnung«, sage ich. »Dazu habe ich keine Informationen.« Ich weiß, dass Mutter gegenüber Bahiyya nichts über meine neue Frisur sagen wird. Dafür ist

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