Betörend wie der Duft der Lilien
er sie laufen lassen, obwohl es ihn unendlich nach ihr verlangte. Sobald sein Puls sich beruhigt hatte und seine körperliche Erregung so weit abgeklungen war, dass sein Anblick keine Aufmerksamkeit mehr erregen würde, ging er hinunter und stellte fest, dass sie sich in die Sicherheit des Damensalons zurückgezogen hatte. Dann war er nach Hause gegangen. Ganz kurz hatte er mit dem Gedanken gespielt, Mrs. Parkers kostspieliges kleines Etablissement auf der Half Moon Street zu besuchen, wo ihn eines ihrer hübschen Mädchen sicherlich gerne in Empfang genommen hätte. Aber er hatte rasch von der Idee Abstand genommen: Keines dieser Mädchen wäre wie Calliope gewesen, und Calliope war alles, was er wollte.
Wie hatte das passieren können? Vor Kurzem noch entnervt von ihren ewigen Streitereien – und dann auf einmal von dem Wunsch besessen, sie in der Altertumsgesellschaft auf dem Fußboden zu lieben?
Und dieses Verlangen war seither nicht gewichen, obwohl er ihr aus dem Weg gegangen war. Er war eigens aufs Land geflohen, wo er sich mit langen Ausritten zu erschöpfen versuchte und zum Erstaunen seiner Pächter bei der Feldarbeit mit anpackte. Er erwog sogar, seinen Besuch bei den Saunders abzusagen.
Aber er konnte Calliope nicht länger ausweichen. Er wollte sie nicht bedrängen, doch sein griechisches Blut wallte zu heiß, um es länger zu leugnen. Er musste es sich eingestehen: Er wollte Calliope Chase.
Und er würde versuchen, sie zu bekommen.
14. KAPITEL
„Emmeline hat große Pläne für Sie geschmiedet“, erklärte Lady Kenleigh, während sie weiteren Tee ausschenkte und die Porzellantassen verteilte. „Ein Picknick am Fluss, Spaziergänge im Grünen, Scharaden. In ein paar Tagen gibt es im Dorf sogar einen kleinen Empfang. Es ist nicht gerade Almack’s, aber dennoch unterhaltsam. Junge Leute wie Sie brauchen doch Musik und Tanz!“
„Das klingt doch reizend“, sagte Calliope, während sie Emmeline über den Tassenrand hinweg fixierte. Die Freundin errötete und bestätigte damit ihren Verdacht: Das Picknick und die übrigen Aktivitäten verschafften Emmeline Gelegenheit, viel Zeit mit Mr. Smithson zu verbringen. „Aber wird auch genug Muße für Herrn Müllers Vorträge bleiben?“
Lady Kenleigh lächelte wissend. „Keine Sorge, Miss Chase. Herr Müller wird nicht zu kurz kommen. Mein Gatte glaubt zwar, man könne sein ganzes Leben allein mit attischen Vasenmalereien und den Punischen Kriegen verbringen, aber Emmeline und ich wissen, dass nicht jeder Mensch so beschaffen ist. Wir wollen, dass Sie sich hier amüsieren. Schließlich haben wir Sie mitten aus der Londoner Saison herausgerissen – da müssen wir doch für würdigen Ersatz sorgen.“
Calliope lächelte tapfer zurück, obwohl sie ahnte, was Lady Kenleigh meinte. Emmelines Mutter war eine der berüchtigtsten Ehestifterinnen Englands. Da ihre Tochter nun fast unter der Haube war – wenn auch nicht mit dem armen Freddie Mountbank, ihrer ersten Wahl –, sah sie sich nach weiteren jungen Damen um, denen sie ihre Künste angedeihen lassen konnte. Und wer eignete sich da besser als die mutterlosen Chase-Schwestern?
Calliope sah zu Clio hinüber, die mit Lotty in einem Buch blätterte und lächelnd deren Geplapper lauschte. Doch die Schatten, die sie seit jenem verdammten Ball umgaben, waren immer noch da. An Clio würde Lady Kenleigh sich die Zähne ausbeißen, aber vielleicht war die Abwehr „geeigneter“ Heiratskandidaten genau die Ablenkung, die ihre Schwester jetzt brauchte.
Und was Thalia anging …
Ihre andere Schwester entlockte dem Piano gerade ein stürmisches Beethovenstück. Das von Fenster einfallende Licht spielte auf ihren goldenen Locken; sie wirkte wie der Inbegriff der englischen Rose. Aber Calliope wusste, dass es eines ganz besonderen, eines außergewöhnlich starken Mannes bedurft hätte, um mit der Amazone in ihr fertig zu werden.
Und was sie selbst betraf, so dachte sie gar nicht ans Heiraten. Sie war viel zu beschäftigt: mit ihrem Vater, den Schwestern, dem Dieb, der Alabastergöttin. Kein Mann würde das verstehen. Zumindest war sie noch keinem begegnet.
Außer …
Auf einmal fühlte Calliope sich in den dunklen Raum in der Altertumsgesellschaft zurückversetzt. Camerons heiße, raue Wange, sein drängender Kuss. Die unleugbare Begierde, die in ihr aufgewallt und durch ihre Adern gerauscht war. Er war anders als alle übrigen Männer, die sie kannte.
Aber er war nichts für sie. Sie waren nicht
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