Betörend wie der Duft der Lilien
füreinander bestimmt. Plötzlich wurde sie traurig – als habe die düstere Wolke über Clio sich auch über sie ausgedehnt. Sie stellte ihre Teetasse auf ein Tischchen, trat ans Fenster und wandte dem Geplauder und Gelächter hinter ihr den Rücken zu.
Sie blickte in einen ordentlichen Garten seitlich des Anwesens. Schmale Pfade erstreckten sich vom Haus bis zu einer versenkten Mauer und darüber hinaus in die Ferne. Am Rande des gepflegten Rasens, dort, wo er in eine Baumgruppe überging, sah sie einen Haufen aus grauen Steinen. Zunächst wirkte er regellos, aber bei genauerem Hinsehen zeigte sich, dass die Steinplatten sorgsam aufgeschichtet worden waren, genau wie bei den langen Trockenmauern, an denen sie vorbeigefahren waren.
Vielleicht irgendein steinzeitliches Grab? Sie hatten unterwegs einige gesehen: uralte Strukturen auf den Hügelkuppen, so solide zusammengefügt, dass sie noch immer an eine längst vergangene Welt erinnerten. Lotty würde den Haufen bestimmt näher untersuchen wollen und dann eine wilde Geschichte über eine vorzeitliche Romanze um diese kalten Steine spinnen.
Emmeline trat neben sie und bot ihr noch eine Tasse Tee an. „Für morgen Vormittag dachte ich an einen Spaziergang zu den Wasserfällen“, sagte sie. „Sie sind recht malerisch. Angeblich gibt es sogar eine Höhle hinter dem Wasser, aber ich glaube nicht, dass wir das erforschen sollten. Viel zu nass!“
„Erzähl bloß Thalia nichts davon. Sie würde es um jeden Preis probieren wollen.“
Emmeline lachte. „Ich sage ihr nichts, aber sie wird es bestimmt von einem der Pächter erfahren. Die erzählen nichts lieber als die hiesige Folklore.“
„Gibt es dazu auch eine Geschichte?“, fragte Calliope und zeigte auf den Steinhaufen.
„Keine Ahnung. Der war schon immer da. Sollen wir ihn inspizieren?“ Emmeline warf einen Blick über die Schulter und sah ihre Mama in ein inniges Gespräch mit Lottys Mutter vertieft. „Sie ist wild entschlossen, Freddie Mountbank mit irgendwem zu verkuppeln, weißt du? Arme Lotty.“
„Ein Spaziergang wäre schön“, beeilte Calliope sich zu antworten, bevor Lady Kenleigh noch auf die Idee kam, ihr Freddie Mountbank ans Herz zu legen.
Bald hatten sie alle ihre Hüte aufgesetzt und Umhängetücher angelegt und wanderten durch die Gärten auf die rätselhaften Steine zu. Thalia stürmte voran und hatte in kürzester Zeit den Saum ihres Kleids beschmutzt. Sie beugte sich über die niedrige Steinmauer.
„Emmeline!“ Ihre Stimme wurde durch den Hall verzerrt. „Wieso hast du dir das noch nie näher angesehen?“
„Wir kommen selten hierher“, erklärte Emmeline. „Mutter findet es hier zu still und entlegen. Was siehst du denn?“
„Es ist ziemlich dunkel da drin, aber ich glaube, hier ist eine Treppe, die in die Erde führt.“ Wenn Calliope sie nicht am Ärmel ihres Spenzers gepackt hätte, wäre Thalia zweifellos in den Schacht gesprungen. „Vielleicht ein uralter Vorratsraum?“
„Ein Wikingerkeller?“ Calliope war skeptisch. Sie lugte Thalia über die Schulter, sah aber nur Erde und Dunkelheit.
„Bestimmt ein Geheimgang!“, rief Lotty. „Zu einem Grab, in dem ein heimliches Liebespaar liegt, das grausam ermordet wurde. Ich habe so etwas gelesen …“
„Bestimmt“, fiel Calliope ihr ins Wort, um eine lange Nacherzählung zu vermeiden. „Aber wenn das wirklich eine Treppe ist, dann endet sie im Nichts. Vielleicht war hier mal ein Eiskeller.“
Lotty schmollte. „Oder ein Grabmal.“
„Calliope hat bestimmt recht“, meinte Clio schroff. „Die Treppe hört hier einfach auf, seht ihr? Sie ist zugeschüttet worden. Thalia, komm da weg; du machst dich nur schmutzig.“
„Ich muss mich vor dem Abendessen sowieso waschen, und ein bisschen Erde hat noch niemanden umgebracht.“
„Mary ist bestimmt nicht glücklich, wenn sie deine Handschuhe schon wieder sauber machen muss“, sagte Calliope ungeduldig. Mit diesen Schwestern zusammenzuleben hieß, eine Herde störrischer Schafe zu hüten! Oder etwas Wilderes, Füchse vielleicht. Ein Rudel notorisch zerstrittener Füchse.
Thalia murrte, ließ aber von den rätselhaften Stufen ins Nichts ab und spazierte mit den anderen zu den Bäumen hinüber. Calliope schlug die entgegengesetzte Richtung ein, denn sie wollte einen Moment allein sein.
Sie ging an der Vorderseite des Hauses vorbei und schlenderte eine schmale Allee entlang. In der Ferne sah sie das Tor, das halb offen stand, als wolle es sie verführen, in
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