Betörende Versuchung
Tür sich schloss. Fassungslos sank sie auf einen Stuhl.
Dann wusste sie nicht, ob sie in Lachen ausbrechen oder den Kopf in die Händen vergraben und weinen sollte.
Georgiana ... und Tante Grace. Sogar die Witwe des Herzogs von Carrington, eine sehr imposante Erscheinung, die Arabella gehörig Ehrfurcht einjagte ... Ob Jung oder Alt, das schien hier egal zu sein. War Justin Sterling vielleicht so eine Art Hexenmeister? Lieber Himmel, gab es denn irgendwo eine Frau, die sich von seinem Charme nicht einnehmen ließ?
Es hatte den Anschein, dass sie die Einzige war, die dafür nicht empfänglich war. Sie würde ihm keinesfalls erliegen.
Sechstes Kapitel
Nachdem sie die Treppen in die obere Etage hinaufgestiegen war, blieb sie einen Moment vor der Tür zu Tante Graces Gemächern stehen. Sie dachte daran, den Maskenball abzusagen. Sie könnte Kopfschmerzen vorschützen. Oder einfach behaupten, dass sie gerne einmal einen ganzen Abend nur für sich allein hätte.
Als sie jedoch eine halbe Stunde später in der Badewanne saß, änderte sie ihre Meinung. Falls sie Justin sehen sollte, dann würde sie sich von ihm nicht einschüchtern lassen. Auch würde sie zu verhindern wissen, dass er die Oberhand hatte. Dafür hatte sie genug Mut.
Außerdem wollte sie seinetwegen nicht zur zurückgezogenen Außenseiterin werden. Das hätte ihm zu viel Befriedigung verschafft.
Und tatsächlich - als sie in Vauxhall eintrafen, war sie sich bewusst, dass sie dies um nichts in der Welt hätte verpassen wollen. Ihre Ankunft am Großen Rundweg hätte nicht besser zeitlich abgestimmt sein können. Kaum hatten sie auf ihren Sitzen Platz genommen, setzte das Orchester mit einem Crescendo ein. Der Abend war einfach fantastisch. Hoch in den Bäumen hingen bunte Laternen - in der Form von Halbmonden und Sternen. Arabella tat einen Ausruf des Entzückens, denn dies war eine Welt, wie sie sie noch niemals gesehen hatte.
Trotz ihres gefassten Vorsatzes konnte sie ihre Nervosität kaum unterdrücken, als sie am Eingang der Gärten warten mussten. Aber als sie hinein durften, hob sich ihre Stimmung. Und da nichts von Justin zu sehen war, schien ihr ein wundervoller Abend sicher zu sein.
Fast alle Anwesenden trugen Masken und hatten ihre Kostüme mit großer Sorgfalt ausgewählt. Es war sehr amüsant, zu versuchen, die Identität der Gäste herauszubekommen. Da war eine elegante j unge Schöne, die das Gewand wie eine griechische Göttin um ihren Körper drapiert hatte, sowie ein Pärchen, das als Romeo und Julia auftrat. Arabella selbst hatte sich ein Gewand ausgesucht, das aus mehreren Lagen hauchdünner Seide bestand und im spanischen Stil gehalten war. Ihre Locken wurden von einem edlen schwarzen Spitzenschleier verdeckt.
Am Ende eines Volkstanzes lachte sie einem feschen Piraten zu, der ihr von der anderen Seite der Tanzfläche - in der Nähe des Hauptplatzes des Gartens - her eine Kusshand zuwarf. Sie wusste, dass dies nicht Justin sein konnte, denn er war nicht von dessen großer, schlanker Statur. Ihr Herz klopfte heftig von der Anstrengung, als sie in Richtung eines nicht weit entfernten Miniatur-Tempels ging.
Darin stand einladend eine kleine Bank. Sie beschloss, dass dies der perfekte Ort sei, sich auszuruhen und wieder zu Atem zu kommen. Sie legte den Kopf in den Nacken und lauschte dem Plätschern eines nahe gelegenen Wasserfalls.
Gerade wollte sie wieder aufstehen, als sie gekünstelte weibliche Stimmen in der Nähe vernahm.
»Dir ist doch klar, dass er nicht lange ohne Mätresse sein wird«, sagte die eine.
»Das ist er nie«, stimmte ihr eine andere bei. »Aber ich frage mich, wer die nächste Glückliche sein wird? «
Arabella erstarrte. Sie waren fast genau hinter ihr stehen geblieben.
»Er hat die Angewohnheit, ständig seine Geliebten zu wechseln. Ich würde sogar so weit gehen, zu schätzen, dass er die Hälfte der hier heute Abend anwesenden Frauen schon in seinem Bett hatte, oder? «
Wieder gurrendes Gelächter. Arabella verzog den Mund, traute sich jedoch nicht, sich zu rühren. Sie wollte nicht den Eindruck erwecken, als habe sie absichtlich gelauscht.
»Sicher, und er hat jede Menge gebrochener Herzen hinterlassen.«
» Deines doch auch«, sagte die erste Frau und fuhr fort, »nun ja, gebrochene Herzen heilen auch wieder, nicht wahr? Vielleicht solltest du dein Glück einfach noch mal versuchen.«
»Oh, ich wäre nicht abgeneigt, wenn er es auf mich absehen hätte«, meinte die zweite Frau leichthin.
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