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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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Die Stadt ist darauf angelegt, daß sie die ihr in die Falle Gegangenen aussaugt und solange aussaugt, bis sie tot umfallen. Ich hatte das früh erkannt und Wien nach Möglichkeit gemieden. Nur um ein paar von mir innig geliebte Menschen von Zeit zu Zeit in Wien aufzusuchen, bin ich später, nach diesen beinahe ununterbrochenen Wiener Jahren, nach Wien gefahren. Die wenigsten haben die Kraft, Wien früh genug den Rücken zu kehren, bevor es zu spät ist, sie bleiben an dieser gefährlichen, ja giftigen Stadt kleben und lassen sich schließlich, müde geworden, von ihr erdrücken wie von einer schillernden Schlange. Und wieviele Genies sind in dieser Stadt von ihr erdrückt worden, gar nicht aufzuzählen. Aber denen es gelang, ihr zu dem richtigen Zeitpunkt den Rücken zu kehren, ist doch immer alles oder doch beinahe alles gelungen, wie die Geschichte beweist und was man nicht unbedingt wieder festhalten muß. Ginge ich jetzt nach Wien, ich langweilte mich vor allem bis zum Selbstekel, habe ich gedacht. Ich zertrümmerte mir sozusagen in der kürzesten Zeit das Wenige, das ich noch habe. Also schied Wien aus. Für kurz tauchte auch Venedig auf, aberbei der Vorstellung, monatelang in diesem zwar prächtigen, aber doch durch und durch perversen Gesteinshaufen sitzen zu müssen, und sei es an dem idealsten Platz, schüttelte es mich. Venedig ist nur für ein paar Tage, wie eine elegante Alte, die man jedesmal zum letztenmal aufsucht für ein paar Tage, aber nicht länger. Jetzt war ich nurmehr noch auf Palma fixiert und noch an dem gleichen Abend, an welchem ich von Niederkreut zurückgekommen war, wo mir der Alte seinen letzten Wunsch offenbarte, was mich nach wie vor faszinierte und im Grunde die ganze Zeit am meisten beschäftigte, noch an dem gleichen Abend fing ich an, daran zu denken, was ich in meine beiden Koffer einpacke, die ich inzwischen in den ersten Stock hinaufgetragen hatte, um sie beide zur Gänze geöffnet auf der Kommode in meinem Schlafzimmer liegenzulassen. Zuerst packte ich, immerfort in dem Gedanken, nur das Notwendigste mitzunehmen, mein altes Reiseprinzip, Kleider, Wäsche und Schuhe ein. Nur zwei Jacken, nur zwei Hosen, nur zwei Paar Schuhe, sagte ich mir und ich suchte die entsprechenden zusammen, dabei dachte ich fortwährend, daß es sommerliche Jacken und Hosen sein müssen, sommerliche Schuhe, denn im Jänner ist in Palma schon Sommer, mehr oder weniger schon sommerlich, wie ich mich verbesserte. Alle machen immer den Fehler, daß sie zuviel Kleider auf die Reise mitnehmen und sich beinahe zutode schleppen und am Ende immer nur das gleiche anziehen am Ort, wenn sie einigermaßen vernünftig sind. Nun reise ich aber schon über drei Jahrzehnte auf eigene Faust, habe ich mir gesagt und nehme doch immer wieder im letzten Moment zuviel mit, auf diese Reise, die möglicherweise und mit an Wahrscheinlichkeit grenzender Sicherheit meine letzte sein wird, wie ich dachte, nehme ich nicht zu viel mit, ich hatte wenigstens den Vorsatz. Aber schon bei der Frage, nehme ich zu der dunkelgrauen Hose noch eine dunkelbraune mit oder eine schwarze, war ich im Zwiespalt. Am Ende legte ich doch eine dunkelgraue und eine dunkelbraune und eineschwarze in den Koffer. Dafür war ich mir, was die Röcke betrifft, nicht im Zweifel, daß es nur ein grauer und ein brauner sein wird. Sollte es sich herausstellen, daß ich einen sogenannten dunklen Rock brauche in Palma, kann ich mir ja einen solchen dunklen Rock kaufen, sozusagen den eleganten, obwohl ich mir sicher war, daß ich keinerlei Gelegenheit für einen solchen sogenannten eleganten Rock haben werde. Wo ein solcher sogenannter dunkler eleganter Rock gefordert wird, gehe ich ja nicht hin. Und wer weiß, ob ich überhaupt zu den Cañellas gehe in meinem Zustand, dachte ich. Ich kenne die Möglichkeiten und die Unmöglichkeiten gesellschaftlicher Natur in Palma und Umgebung, auf der Insel. Wahrscheinlich liebe ich die Insel gerade weil sie voller Alter und Kranker ist! Ich werde die meiste Zeit im Hotel sein und meine Arbeit schreiben. Den zweiten Koffer einzupacken war naturgemäß nicht so leicht, wie den ersten, denn ich hätte einen doppelt so großen Koffer gebraucht, um alles das unterzubringen, das mir absolut notwendig erschienen ist für meine Arbeit. Schließlich baute ich zwei Türme mit Büchern und Schriften über Mendelssohn Bartholdy vor mir auf dem Fenstertisch auf: der eine entwickelte sich aus den unbedingt notwendigen Büchern und Schriften

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