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Beton

Beton

Titel: Beton Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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und sonstigen Papieren, der andere aus den nicht unbedingt notwendigen, jedenfalls glaubte ich zu wissen, welche von diesen Büchern und Schriften und sonstigen Papieren ich für meine Arbeit notwendiger habe als die andern und schließlich hatte ich tatsächlich zwei etwa gleichgroße Haufen nebeneinander auf dem Tisch vor mir. Ich packte die unbedingt notwendigen Bücher und Schriften und sonstigen Papiere in den zweiten Koffer und hatte dann noch Platz für etliche nicht unbedingt notwendige, mit welchen ich den Koffer so anfüllte, daß er beinahe nicht mehr zugegangen wäre. Schließlich konnte ich, nachdem ich meine Toilettesachen auch schon in ihm untergebracht hatte, auch noch drei Bücher über Mendelssohn Bartholdy in den Kleiderkoffer stecken. Das alles gleich an demTag, der dem Tag folgte, an dem meine Schwester abgereist und tatsächlich nicht mehr zurückgekommen ist. Nachdem ich die Koffer gepackt hatte, war ich vollkommen erschöpft. In der Zwischenzeit hatte mir der Mann vom Reisebüro, den ich ein paar Stunden vorher angerufen hatte, ob noch ein Platz im Flugzeug sei, angerufen, daß alles in Ordnung ginge. Er schicke mir noch nach Geschäftsschluß meine Reisepapiere nach Peiskam heraus, hatte er gesagt. Mein Abflug von München nach Palma war für den nächsten Tag am Abend geplant, ich durfte also auf einen relativ angenehmen Reiseverlauf hoffen. Wie immer, hatte ich mich von einem Augenblick auf den andern zu einer solchen Reise entschlossen. Für den frühen Morgen hatte ich die Frau Kienesberger bestellt, um mit ihr zu besprechen, was zu geschehen habe während meiner Abwesenheit, darauf wollte ich noch nach Wels zu meinem Internisten. Gleich, was er jetzt für eine Meinung haben wird, ich reise in jedem Falle ab, sagte ich mir. Ich war jetzt, durch den Reiseentschluß, nicht mehr so schlecht beisammen, wie noch am Vortag, wie noch in der Frühe. Am Abend allerdings wurde ich, gerade als ich ziemlich beruhigt über den Anblick meiner beiden festverschlossenen Koffer im Fauteuil neben meinem Bett saß, schon die Konturen von Palma vor mir, vom Reisebüro angerufen, daß ich erst in zwei Tagen abreisen könne, es habe sich so herausgestellt. Es war mir im Moment nicht unrecht. Ich tat enttäuscht, aber ich war im Grunde froh über diese Verzögerung. Deine mörderische Schnelligkeit hat einen Dämpfer bekommen, das ist gut, dachte ich. Aber hoffentlich, dachte ich gleichzeitig, komme ich inzwischen, bis in zwei Tagen, nicht von meinem jetzt so innigst gewünschten Plan ab und bleibe dabei, hoffentlich. Ich kenne mich zu gut, um nicht zu wissen, wie wankelmütig ich sein kann und in zwei Tagen kann alles vollkommen anders und um alle Grade herumgedreht sein und möglicherweise ein paarmal in zwei Tagen um alles und um alle Grade . Aber ich war mir sicher, daß Palma dasrichtige ist. Jetzt kannst du in Ruhe deinen Internisten aufsuchen, in Ruhe die Bank aufsuchen, in Ruhe hier schlußmachen. Es war, als wäre ein Alptraum zuende. Als ich meine Schwester anrief und ihr sagte: übermorgen bin ich in Palma, ich habe mich blitzartig dazu entschlossen, sagte sie: na siehst du, mein kleiner Bruder. Das ist das Vernünftigste, daß du nach Palma fährst. Dieser Nachsatz hatte gleich wieder meine Verärgerung zur Folge gehabt, denn er war von ihr in einem mich hänselnden Ton gesagt, aber ich ging nicht darauf ein und verabschiedete mich ziemlich kurz von meiner Schwester, nicht ohne ihr zu sagen, daß ich mich, sobald ich in Palma angekommen und im Hotel bin, bei ihr melden werde. Ich bin neugierig, was aus deinem Mendelssohn Bartholdy wird, hat sie noch gesagt und naturgemäß von mir keine Antwort erwarten können. Andererseits hatte sie sich mit einer ganz einfachen Bemerkung, daß ich nämlich auf mich aufpassen solle, von mir verabschiedet, die mich wiederum rührte. Ich wollte aber keinerlei Sentimentalität aufkommen lassen und unterdrückte einen plötzlichen Weinkrampf, als ich den Hörer aufgelegt hatte. Wie zerbrechlich wir sind, habe ich gedacht, wir führen alle so große Wörter im Mund und pochen tagtäglich und fortwährend auf unsere Härte und auf unseren Verstand und kippen von einem Augenblick auf den andern um und müssen ein Weinen in uns erdrücken. Natürlich werde ich, wie immer, wenn ich im Ausland gewesen bin, wöchentlich meine Schwester anrufen, umgekehrt bin ich sicher, daß auch sie mich wöchentlich anruft. Wir haben es immer so gehalten. Wenn du im Meliá bist, das kennst

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