Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Betongold

Betongold

Titel: Betongold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Westerhoff
Vom Netzwerk:
Mordkommission forderte ihn oft bis in die Nachtstunden und am Wochenende. Sie entfernten sich immer mehr voneinander, Barbara kapselte sich ab und verbrachte die wenigen gemeinsamen Stunden lieber mit dem Studium unterschiedlicher Esoterikansätze, während Paul sich zunehmend in der Position der Eier legenden Wollmilchsau sah, unfähig sich aus dem Hamsterrad des Jobs zu befreien, geschweige denn die Aufgaben innerhalb der Familie zu erfüllen. Ein Teufelskreis bahnte sich an, aus dem es kein Entkommen zu geben schien.
    Der endgültige Bruch ereilte sie, als Paul die Dummheit beging und ein Geschenk annahm, das ihm ein Disziplinarverfahren und die zeitweilige Suspendierung einbrachte. Das Geschenk nannte sich später »Vorteilsnahme im Amt« und bestand in der Annahme einer Flugreise für die ganze Familie, als Dank eines Freundes, dessen Sohn er aus den Händen eines Drogendealers befreit hatte. Sie waren noch nicht ganz aus dem Flugzeug aus Fuerteventura kommend gestiegen, als ihn sein damaliger Chef zusammen mit dem Leiter der inneren Abteilung zur Befragung mitnahm. Barbara und die Kinder mussten mit dem Taxi nach Hause fahren.
    Die traurigen, flehenden Blicke von Lea und Tobi würde er in seinem ganzen Leben nicht vergessen.
    Das Ergebnis der Untersuchung bestand in einer Degradierung und dem Angebot der Versetzung nach Frankfurt zur dortigen Mordkommission. Barbara war außer sich und machte ihm klar, dass sie nie aus Berlin weggehen würde.
    Die Durchsage riss ihn aus seinen Gedanken. »Bitte schnallen Sie sich an, wir landen in wenigen Minuten auf dem Flughafen Berlin-Tegel«. Er hatte 45 Minuten ohne ein Wort zu sagen neben ihr gesessen. Er schaute sie verunsichert an.
    Sie lächelte: »Gut geschlafen?«
    Â»Es ging so, mehr gedöst, Entschuldigung, ich bin kein guter Unterhalter.«
    Â»Manchmal braucht man das«, antwortete sie. Er war nicht ganz sicher, wie sie das meinte.
    Nachdem sie das Gepäck vom Band genommen hatten, nahmen sie sich ein Taxi und erreichten nach 20 Minuten, exakt um 15.15 Uhr das Polizeipräsidium am Platz der Luftbrücke in Berlin Tempelhof.
    Während sie auf den Kollegen der für den Fall »Hainburg« zuständigen Mordkommission warteten, schaute Juliane aus dem Fenster. Ihr Blick schweifte über das Tempelhofer Feld, den ehemaligen innerstädtischen Flughafen Tempelhof, eine gigantische Freifläche inmitten der Großstadt, die mittlerweile als Ausflugs- und Erholungsziel für die Berliner Bevölkerung freigegeben worden war.
    Â»Na, was sagen Sie zu unserem Kleiderbügel« begrüßte sie ein groß gewachsener, sportlicher Mann. Er hat Ähnlichkeit mit diesem Schweiger aus Hamburg, dachte Juliane spontan, allerdings sieht er besser aus und ist wesentlich größer.
    Er gab ihnen die Hand, Paul kannte ihn nicht. »Willkommen in der Hauptstadt Kollegen, ich bin der Phillip, Phillip Mauser, Hauptkommissar der 1. Mordkommission«, gab er selbstbewusst von sich.
    Â»Was meinen Sie jetzt mit Kleiderbügel?«, fragte Juliane, während Paul den Kollegen musterte.
    Â»Du, bitte, wir sind doch Kollegen«, grinste er. »Wusstet ihr, dass dieses Gebäude hier vorne« und zeigte auf den halbrunden Bürokoloss, »welches wir aufgrund seiner Form den Kleiderbügel nennen mit über 240 000 Quadratmeter das größte zusammenhängende Bürogebäude der Welt ist?«
    Paul wusste es, schließlich hatte er jahrelang dort sein Büro gehabt, ersparte sich jedoch seinen Kommentar. »Auf den Dachflächen sollten einmal 65 000 Menschen dem Führer zujubeln, na Gott sei Dank ist es dazu nie gekommen«, gab Phillip Mauser Juliane weiterhin Nachhilfeunterricht in die Architektur und Geschichte des Gebäudes.
    Â»Und warum ist es nicht dazu gekommen?«, fragte Juliane; nach Pauls Meinung etwas zu freundlich.
    Â»In ihrem Größenwahn gingen die Erbauer damals davon aus, dass niemand in der Lage wäre, Berlin anzugreifen. Noch während des Baus stellte man jedoch fest, dass der Flughafen viel zu nah an der Berliner Innenstadt errichtet wurde und Ziel der Gegner werden könnte. Man stationierte das Militär dann lieber in Schönefeld. Der Flughafen war also von Anfang an eine Fehlplanung und wurde auch nie ganz vollendet. Eigentlich erhielt er erst mit dem Bau der Mauer und der legendären Luftbrücke seine Bedeutung.«
    Phillip

Weitere Kostenlose Bücher