Betreutes Trinken
Ordnungsamt abgesegnet werden.«
Mir wird schwindelig. Katja hat zuviel Kacklack geschnüffelt. Die Sozialarbeiterin muss eingreifen: »Liebste Frau Alpert, soweit ich das verstanden habe, benötigt der Pächter dieses Ladens, der im übrigen Raphael Kersting ist, dringend weniger Stress, nicht mehr. Eine Monsterbaustelle ist kein besonderes gutes Willkommensgeschenk für ihn, findest du nicht? Oder willst du ihn umbringen?«
Da hat sie nichts mehr zu sagen. Vielleicht ist ihr Hirn doch noch nicht ganz weggefressen, es sieht mir ganz so aus, als würde sie scharf nachdenken: »Bis der wiederkommt sind wir längst fertig. Raffi wird sich freuen. Mehr Kundschaft, weniger Stress mit dem Ordnungsamt. Marie ist dafür.«
Marie ist dafür. Das soll mich milde stimmen?
»Es ist aber nicht Maries Kneipe, also auch nicht ihre Entscheidung«, zerstöre ich Katjas Architekturvisionen. Sie reicht mir ihre letzte Zigarette, zündet sie mir an.
»Doch, Doki. Raphael hat ihr gestern die Vollmacht unterschrieben.«
Ich werfe die Zigarette weg: »Ach ja, und was ist mit der Kontaktsperre? Ist Marie gestern noch nach Bad Schlag-mich-tot gefahren, Olaf im Gepäck wahrscheinlich, und sie haben Raffi die Pistole auf die Brust gedrückt, ja?«
Katja blickt meiner Zigarette nach. Sie hasst Verschwendung, wenn sie nicht von ihr selbst begangen wird: »Boah Doris, jetzt red doch nicht so einen Scheiß. Marie hat mit den Ärzten telefoniert, und die haben Raphael dazu geraten. Die Vollmacht kommt per Einschreiben. Das ist gut für Raffi. Für uns alle. Geht das endlich in deinen Kopf?«
Ich gehe. Meiner Kippe hinterher, hebe sie auf und rauche zu Ende. Gut für Raffi geht auch in meinen Kopf. Größere Bühne auch. Mehr Gäste bedeuten mehr Umsatz. Mehr Umsatz bedeutet, dass wir den Leuten, die hier arbeiten, einen fairen Lohn auszahlen können. Ich arbeite hier, wenigstens, bis Raffi zurückkommt. Und wenn es gut läuft, kann ich sogar weiter hier arbeiten. Das wäre schön. Und vielleicht sogar das, was Vladimir mit »Änderung von System« meinte.
»Okay.«
Katja faltet die Hände, blickt gen Himmel: »Danke, Allmächtiger.«
Eine wahre Freundschaft beinhaltet einen reibungslosen Schichtwechsel. Wenn Katja ins Religiöse abdriftet, muss ich die weltlichen Dinge übernehmen: »Aber so Umbauten, die dauern doch nicht nur, die kosten doch auch, oder? Das kriegen wir doch niemals alleine hin. Du wirst dir die Fingernägel abbrechen, Liebes.«
Auch diese trüben Aussichten scheinen Katja Alpert nicht zu erschrecken: »Harald hat Maurer gelernt. Albert kennt noch ein paar Typen vom Fernsehen, die sogar Geld dafür bezahlen, wenn sie mit einem Vorschlaghammer eine Wand niederkloppen dürfen. Das ist in zwei Tagen fertig.«
Sie hat an alles gedacht. Fast alles.
»Wer baut denn die neue Bühne auf? Kann Vladimir so was machen?«
Katja malt mit der Fußspitze unsichtbare Kreise auf das Pflaster: »Weiß nicht. Müsste man ihn mal fragen.«
»Ihr habt noch nicht mit Vladimir gesprochen?«
Das ist gar nicht okay, und Katja weiß das. Sie windet sich. »Ach ja, der Vladi. Weißt du eigentlich, was der so macht? Ich meine, von den paar Putzschichten kann doch niemand überleben. Woher kriegt der seine Kohle? Verkauft der, was so vom Laster fällt, oder was?«
Ich bin angeekelt: »Katja, das war jetzt absolut geschmacklos. Das mit den Lastern. Das machen die Polen.«
Zwei schlechte Witze ergeben beileibe keinen guten, Katja kommt wieder auf den Kern der Sache zurück: »Also, wir haben uns gedacht, wenn wir Vladimir erklären, was wir vorhaben, wird er es gut finden. Genau wie du.«
War das eine doppelte Beleidigung? Sicherheitshalber schlage ich zurück: »Dafür bist du genau wie Gunnar.«
Katja erbleicht: »Wenn das wirklich so sein sollte, macht dich das zu einem ziemlich gestörten Wesen, Doris Kindermann.«
Finde ich nicht: »Nein, das heißt nur, dass ich einem bestimmten Typ treu bin. Konservativ, wie du sagtest.«
Wenn sie keine sachlichen Argumente mehr vorzutragen hat, schwenkt meine beste Freundin übergangslos auf die persönliche Ebene rüber. »Doki, deine Ellenbogen sind voll mit Kacklack. Mach den ab.«
»Gerne, kannst du mir deine Autoschlüssel geben?«
In ihrem Handschuhfach liegt immer die Erstausstattung für ein Maniküre-Studio parat. Es dauert zwei Sekunden, bis Katja mich informiert:
»Das Auto habe ich Gunnar geliehen, sorry.«
Kein Grund, um sorry zu sein oder auch nur zu sagen. Mit dem Auto ist
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