Betreutes Trinken
freundlichen Ton bemüht.
Katja schaut mich verwundert an, lässt die Liste sinken, die sie in der Hand hält.
Eine Liste auf einem Clipboard.
»Doki, das konnten wir nicht. Ich meine, die Ärzte haben da eine strikte Kontaktsperre verordnet für die ersten zwei Wochen. Das müsstest du doch wissen, ich meine, du hast doch mal dieses Praktikum gemacht, da habt ihr doch auch Leute einweisen lassen. In so Kliniken. Nicht wahr?«
»Wahr«, schmolle ich. Katja reagiert wie erwartet.
Sie sagt noch mehr Wahres: »Mein Gott, Doris Kindermann, bist du jetzt sauer, dass ich dir Holgers Putzschicht weggenommen habe, oder was? Ich habe mich krankschreiben lassen wegen Andi, und dann habe ich gestern mit Marie und Olaf hier gesessen, und wir hatten ein paar Ideen zur Verbesserung. Damit der Laden brummt.«
Olaf. Ich stütze die Arme auf, Katja flippt aus: »Oh toll, jetzt kann ich alles noch mal machen, danke. Weißt du, wie teuer der Lack ist?«
Zeit, dass ich ausflippe, aber richtig: »Ne, keine Ahnung, wahrscheinlich kostet er einen … Batzen? Wird wahrscheinlich aus bedrohten Tierarten gewonnen oder Jungfrauen-Blut, was weiß ich. Und du hast ihn aus eigener Tasche bezahlt, weil du ja die große Gönnerin bist und du den Kacklack von der Steuer absetzen kannst, oder wie?«
Wenn schon Verschwörungstheorie, dann eine fundierte.
Stille.
»Sagtest du ›Kacklack‹, Süße?«
Ich halte die Hände vors Gesicht, Katja bemerkt trotzdem, dass ich dahinter lachen muss.
»Wow. Das wäre was für Raffi. Kacklack. Wollen wir eine rauchen, Liebes?«
»Ja, aber ich habe keine Kippen mehr«, nuschle ich.
»Lass uns vor die Tür gehen. Der Kacklack dünstet noch aus.«
Wir nehmen den Hinterausgang, im Hof ragt ein Sperrmüllberg fast bis über die Mauer zum Nachbargrundstück. Daneben kistenweise Altglas. Nach dem ersten Zug bin ich milde genug gestimmt, um ein paar anerkennende Worte zu sprechen: »Ihr habt ja ganz schön geackert.«
Katja nickt: »Seit gestern Morgen. Kannst du dir Olaf in Gummistiefeln vorstellen? Er hatte sich sogar eine Anglerhose mitgebracht.«
Ich grinse: »Nach dem großen Erfolg von Broke Back Mountain sehen Sie jetzt Lay Down Lake .«
Katja hustet. »Mann, Doki, vielleicht hättest du doch dein komisches Filmstudium verfolgen sollen.«
Ich sage ihr jetzt nicht, dass ich vielleicht gekündigt habe. Oder gekündigt werden werde, weil ich mich wie eine Vierzehnjährige mit erfundenen Regelschmerzen weggeschlichen habe, statt wie eine Erwachsene einen Arzt zu kennen, der bei spontaner Berufsunfähigkeit keine Frage stellt, sondern einen gelben Schein rausrückt.
Ich mag nicht ganz allein unter einem schlechten Gewissen leiden, also besorge ich Katja auch eines: »Warum habt ihr mir nicht Bescheid gesagt? Ich hätte euch geholfen.«
Auch darauf hat sie sofort eine Antwort parat: »Ach, du musstest doch in den Anker. Und hast schon am Sonntag geputzt. Außerdem …« sie zündet sich die neue Zigarette direkt an der alten an, sieht man auch nicht alle Tage, »… außerdem weiß ich doch, wie sehr du Veränderungen verabscheust.«
Bitte was?
Katja nutzt meine Verblüffung, um nachzutreten: »Jetzt guck nicht so. Im Grunde deines Herzens bist du eine sehr konservative Persönlichkeit. Du hast nicht mal einen Facebook-Account.«
Sie lacht über dieses gelungene Beispiel für meine Rückständigkeit. Anders als sie bin ich nicht der Meinung, dass ich sechzig Millionen Menschen darüber informieren muss, dass wir heute Wetter haben und ich das mag. Oder like. Liken tue?
»Ich bin immer offen für Neues, wenn ich einen Sinn darin erkenne«, krächze ich.
Wie kann sie so etwas behaupten? Ich habe alle drei Monate eine neue Haarfarbe. Erst letzten Oktober habe ich mal eine andere Biermarke versucht. Obwohl ich wusste, dass es sinnlos sein würde. Vorurteilsfrei, neugierig und experimentierfreudig, so kennt man mich landauf, landab.
Katja sieht mich herausfordernd an: »Ja, ganz sicher? Dann kommt jetzt ein Test für dich, mein Hasi: Was hältst du davon, wenn wir einen Durchbruch machen. Zu den Toiletten?«
Was für ein Quatsch: »Ich hab’s gern privat, wenn ich pinkle.«
Sie haut auf meinen Arm: »Dummerle, ich meine das anders. Wir machen den Durchbruch zum Waschraum, mauern die andere Seite dafür zu. Dann kann man die Bühne versetzen, in die andere Ecke, wo jetzt der Kicker steht. Dann ist nicht nur die Bühne größer, sondern es passen auch mehr Leute in die Kneipe. Muss natürlich vom
Weitere Kostenlose Bücher