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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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    »Doris, komm in die Puschen. Ich glaube, wenn wir um zwölf nicht hier raus sind, belasten die Katjas Kreditkarte für noch eine Nacht«, informiert mich Gunnar, und das schaltet meinen Kopf wieder vollständig an. Sogar den Körper vermag ich nun wieder zu aktivieren, und wie durch ein Wunder finde auch ich einen meiner Schuhe. »Keine Zeit zum Frühstücken, was?«, murmle ich, als ich unter das Bett krieche, um nach der restlichen Fußbekleidung zu suchen. Gunnar hört es dennoch, und voller Genugtuung meine ich, tiefe Enttäuschung in seiner Stimme zu vernehmen: »Ne, das klappt wohl nicht, Mist.«
    Bingo, Schuh Nummer zwei ist geborgen. Wir stehen beide wieder vor dem Bett, ich betrachte die nur unzulänglich zerwühlten Laken, eine verpasste Gelegenheit, die sich in der Form wohl so schnell nicht wieder auftun wird. Vermute ich. Fürchte ich, und obwohl es ganz eindeutig mein Gunnar ist, der wenige Zentimeter neben mir steht und vor fünf Minuten noch direkt neben mir lag, habe ich dieses Gefühl, dass sich manchmal einstellt, wenn man nachmittags aus dem Kino kommt: Draußen ist es zu hell und zu wirklich, der Film war nur ein Film, und langsam dämmert einem, dass man noch den halben, echten Tag zu Ende bringen muss, in dem gar keine Superhelden auftauchen werden.
    Ganz alberne Menschen schließen dann kurz die Augen, um etwas von dieser behaglichen Dunkelheit zurückzuerhaschen, in der leisen Hoffnung, dass der Film weitergeht, wieder näher kommt. »Doris, nicht umkippen«, mahnt Gunnar besorgt, und er greift nach meiner Hand. Obwohl es dieses eine Mal geklappt hat, öffne ich die Augen wieder und sehe ihn an. Er hält immer noch meine Hand.
    »Hör mal, ich bin demnächst wieder in der Gegend. Ich meine, ich könnte vorbeikommen, wenn du willst …«
    Nur ein kleiner Kuss. Ja, ich will: »Dann reite mit dem Wind, Cowboy, und bring die Herde sicher nach Kalifornien. Ich werde auf dich warten, hier!«, schwöre ich, und Gunnar lacht:
    »Du bist bekloppt, Doris. Das habe ich vermisst. Bis bald. Ich muss echt los jetzt. Grüß Katja, okay?«
    Und er ist weg, noch während ich nicke. Okay. Klar, okay, warum nicht? Bekloppt bleiben und Katja grüßen, das sollte ich auf die Reihe kriegen. Das wird höchstwahrscheinlich alles sein, was ich in der nächsten Woche bewerkstelligen kann.
    Ich setzte mich auf das Bett, um mir meine Schuhe anzuziehen. Sie sind über Nacht um zwei Nummern geschrumpft.
    »Jetzt müsste ich das Bett machen«, belehrt mich das Zimmermädchen, und zupft so kräftig am Laken, dass sie mich fast bis zur Zimmertür schleudert. Die Frau ist gut in ihrem Job.
    Langsam stakse ich den langen Flur hinunter, der bestimmt beeindruckend wirkt, wenn man einen Sinn und einen Blick für zurückgenommenen Protz hat. Wenn ich mit Katja hier gewesen wäre, hätte sie mir bestimmt erzählt, dass die Wandleuchten von innen mit Platin verstärkt worden seien. Und ich hätte es geglaubt, bis sie mir ihren Ellenbogen in die Seite gerammt und gerufen hätte: »Frau Kindermann, Ihnen kann man auch alles weismachen! Komm, wir gehen in den Massageraum und lassen uns von ausgemusterten Chippendales mit Weintrauben füttern.«
    »Katja anrufen«, befehle ich mir im Aufzug, »dringend Katja anrufen. Mich tausendmal bedanken und grüßen. Auf jeden Fall grüßen, sonst kommt Gunnar nicht wieder, ganz logisch.«
    Ich durchquere die Lobby, und an den Blicken, die mich streifen, erkenne ich, dass ich dabei bekloppt genug wirke, um den ersten Teil meines Gelöbnisses als erfüllt zu betrachten. Wahrscheinlich hilft dabei das T-Shirt, auf dem » KILL HIM « steht, sowie die Tatsache, dass ich meine Schuhe in der Hand halte.
    Draußen scheint die Sonne, aber das hat sie ja gelernt. Ich nehme es mit ihr auf, und strahle alle an, die mir begegnen. Klarer Sieg in der ersten Runde, und zwar für mich. Schon nach fünf Metern weichen die Obdachlosen erschrocken vor mir zurück, so irre grinse ich. Die Sonne erkennt ihre Niederlage an und versteckt sich hinter einer Wolke. Ich gehe voll drauf ein, wähle die Dunkelheit der U-Bahn, um mich auf diese neue Taktik einzustellen. Als ich sieben Stationen später aussteige, regnet es. Da kann ich nicht mithalten. Beschwingt hüpfe ich zu meiner muffigen, kleinen Wohnung hinauf, öffne die Tür und schreibe mir einen Denkzettel: »Katja anrufen« steht auf dem Post-it, das ich mir sicherheitshalber an die Stirn klebe. Damit ich es auch nicht vergesse, wenn ich wieder aufwache. Falls

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