Betreutes Trinken
wie jeder Einzelne das für ihn bestimmte Stückchen davon schluckt: Kira schaut ganz beseelt, juhu, Mädchentag. Da könnte sie bestimmt endlich ihre Filzbastelstunde unterbringen und ihre grauenhaften Ansteckbuttons in ihrer Arbeitszeit fertigen. Silke klappert leise mit dem Kuli vor ihren Zähnen, die fände einen Mädchentag bestimmt auch gut, weil sie immer noch an ihrer Diplomarbeit herumfuhrwerkt, und soweit ich weiß, lautet der Titel so ungefähr: » K.O. für Ko-Edukation? Neue Entwicklungen zur Frauenförderung im Hinblick auf Dingenskirchen«.
Die Einführung eines Mädchentages käme für Silke der Einrichtung eines persönlichen Labors, inklusive Versuchstierchen, gleich. Unsere männlichen Kollegen versuchen, skeptisch zu gucken, aber ich durchschaue sie. Innerlich freuen sich Kai und Arne tierisch, denn ein Mädchentag würde natürlich bedeuten, dass nur die Kolleginnen arbeiten würden. Könnten. Müssten. Hinter Kais Stirn sehe ich schon, wie er die freien Tage zusammenzählt, und Arne versucht, telepathischen Kontakt mit Jochen aufzunehmen, damit der etwas sagt wie: »Der Freitag böte sich aus meiner Sicht für einen Mädchentag an.«
Meine einzige Hoffnung ist jetzt Margret. Die sollte jetzt blicken, was hier abgeht, aber auch sie scheint darüber nachzudenken. Intensiv, wie es bei uns so schön heißt, was meint, finanziell. Denn Frauenförderung geht immer. Ganz gleich, wie plump oder sinnlos. Mädchen-Band-Workshop, Mädchen-Selbstverteidigungskurs, Mädchen-machen-Mädchen-Mut, Ladylaberstunde, Hauptsache, man druckt im Vorfeld fünfzigtausend Flyer, die eine lila eingefärbte, gereckte Faust zeigen, und schon findet sich eine Kulturbeauftragte, die das auch total wichtig findet. Und die Schirmherrin dieser ganzen Idee werden möchte. Komischerweise heißt es nicht Schirmdame oder Schirmfrau …
»Doris, wie findest du denn die Idee? Das ginge ja vor allem auch dich an«, fragt Margret nun lauernd.
Mist. Ich bin kurz davor, die Wahrheit herauszuschreien: »Ich halte das für eine beschissene Idee, ja, gerade als Frau . Als Mann fände ich die Idee wahrscheinlich super, so wie Kai, der gerade schon die Brückentage freischaufelt, aber ganz ehrlich: Das ist doch sexistisch! Wir würden die Jungs ausgrenzen! Und den Klöstern Konkurrenz machen! Wie soll man denn das andere Geschlecht verstehen lernen, wenn es ausgesperrt bleibt? Völliger Mumpitz, diese ganze Genderkacke, da kommt doch nie ein Mädchen vorbei, das auch nur ansatzweise unterdrückt wird!«
Aber natürlich sage ich: »Was war denn noch einmal der Grund dafür, dass wir diese Idee beim letzten Mal abgeschmettert haben?«
Oh ja, ich war auch nicht ganz umsonst auf der Uni. Manipulation mit der Dampframme beherrsche ich seit dem ersten Semester. Es ist mir völlig egal, dass ich gerade wirke wie der rechte Flügel einer erzkonservativen Partei, die seit vierzig Jahren jeden Reformversuch abwürgt. Jochen wird mir nicht die flexible Arbeitszeit stehlen. Ich lege sogar noch einen drauf: »Bei allen guten Absichten darf man ja auch die Interessen der anderen Seite nicht vergessen, in diesem Fall – die Jungs. Dann wäre ein reiner Jungstag nur konsequent, oder?«
Doris Kindermann, du gerissenes Biest! Alle sehen mich beeindruckt, nein, bewundernd an, nur Jochen guckt beleidigt. Jetzt nicht nachlassen, Doris, du willst keine Geschlechtertrennung, sprich zu ihnen, solange du ihre Aufmerksamkeit hast, denk dir irgendetwas aus: »Also, aus meiner Sicht wären doch viel eher neue Anstöße sinnvoller, die alle einschließen, wie zum Beispiel …« Sport? Musik? Kochen? Rumhängen im Computerraum? »… Drogen?«
Das wirklich Traurige ist, dass keiner lacht. Es schaut auch niemand betreten zu Boden oder unterbricht mit einer wichtigen Frage (Ist noch Kaffee da?), nein, die Kollegen wollen noch nicht einmal, dass du dich bis auf die Knochen blamierst, indem du weiterredest, sie sind tatsächlich interessiert. Offen für alles, was da noch aus meinem Mund kommen mag, und auf einmal habe ich sie alle ganz doll lieb. Wo kann man heutzutage noch völlig zusammenhanglos »Drogen!« rufen, ohne dass man als geistig gestört eingestuft oder verhaftet wird. Okay, im »Dead Horst« vielleicht.
»Also, ja, vielleicht sollten wir unsere Jugendlichen mal auf Drogen aufmerksam machen.«
Ja, dann wäre vielleicht mehr Leben in der Bude, aber weil mich immer noch keiner unterbricht, rede ich einfach weiter: »Also, auf die Gefahren von Drogen.
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