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Betreutes Trinken

Betreutes Trinken

Titel: Betreutes Trinken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katinka Buddenkotte
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Alltagsdrogen. Alkohol. Auch Abhängigkeit von Computerspielen, das ist ja genauso schlimm.«
    Ich habe es geschafft. Der Stuhlkreis ist wieder im Nickmodus. Jeder hier ist sich klar darüber, das man heutzutage von fast allem abhängig werden kann: Nikotin, dem Drang, hässliche Filztaschen zu basteln, Frauen zu schwängern, Doris den Tag zu versauen.
    »Hmm, finde ich prinzipiell gut«, fährt Margret den allzu bekannten Stachel aus, »nur müsste man sich da mal etwas Neues überlegen. Mit einem Vortrag kommt man da nicht an die Kids ran, das wirkt ja eher kontraproduktiv.«
    Stimmt, Vorträge kann man nur Sozialarbeitern halten, und da ich meine geniale Idee noch nicht zu Ende gedacht habe, sage ich: »Ich dachte mir das auch eher so in Projektform.«
    Hui.
    Ich rate jedem, der gezwungen ist, als Angestellte der Stadt zu arbeiten, sich im Vorfeld eine Dokumentation über die Wildtiere Kanadas anzuschauen.
    In solchen Lehrfilmchen erfährt man nämlich, dass man sich bei Konfrontationen mit unterschiedlichen Bären ganz unterschiedlich verhalten muss, wenn man an seinem Leben hängt. Vor ausgewachsenen Grizzlys kann man sich auf hohe Bäume flüchten, beim Braunbären hilft langsames Rückwärtsgehen, im Notfall Pfefferspray. Bei Eisbären sollte man beten, aber Schwarzbären sind dafür einfach zu handhaben. Man holt irgendetwas Essbares aus seiner Tasche und wirft es ihnen vor die Füße. Schon bist du ihnen als Beute egal. Angeblich funktioniert das schon mit einem Apfel, mit einem Schokoriegel ist man auf der sicheren Seite.
    Sozialarbeiter sind definitiv Schwarzbären. Oft genügt es, ihnen ein »Du, mir fehlt da noch ein konkreter Ansatz« hinzuwerfen, oder auch: »Da müssten wir vielleicht mal gemeinsam ein Konzept erarbeiten.« Das sind die Äpfel, aber der Schokoriegel ist ohne Zweifel »Projektform«.
    Wir lieben Projekte. Anders als AGs oder Montagsmeetings hören die nämlich irgendwann auf, und man hat das Gefühl, irgendetwas abgeschlossen zu haben, obwohl eigentlich nur die Jugendlichen zu alt geworden sind, um unsere Einrichtung weiter zu besuchen.
    Projekte unterliegen der Projektförderung. Man kann schöne, konkrete Anträge stellen, und alle sind glücklich, dass eine bestimmte Geldsumme für eine bestimmte Zeitspanne locker gemacht wurde und eine Zielsetzung hinter dem ganzen Schmu steht. Projekte haben nur einen Haken: »Das hört sich doch gut an. Willst du das in die Hand nehmen, Doris?«
    Ja, genau wie geschmolzene Schokolade kleben Projekte dem an den Fingern, der sie im Eifer des Gefechts ausgepackt hat. Und alle kleinen Schwarzbären in der Runde freuen sich und werden mir jetzt ewig hinterherlaufen, super.
    »Äh, ja klar, war ja meine Idee«, murmle ich, und Margret lächelt zufrieden. Der Deal wird perfekt gemacht, indem sie unsere Protokollführerin auffordert: »Jenny, hältst du das bitte fest, dass Doris dann am übernächsten Montag ihr Drogenprojekt vorstellt?« Jenny notiert, ich kann von hier aus sehen, dass sie nur »Doris/Drogen« aufgeschrieben hat.
    Nun ja, weiter bin ich ja auch noch nicht.
    »Also – der Mädchentag wäre ja auch erst mal auf Projektbasis gelaufen«, mosert Jochen, aber damit hat er keine Chance. Wenn es heißt: »Mädchen« oder »Drogen« setzt der gemeine Sozialarbeiter ganz klare Rockstar-Prioritäten: Erst durch Drogen inspirieren lassen, die Mädels kommen dann schon.
    Stufenlos wird jetzt zur allgemeinen Tagesordnung übergegangen, plötzlich scheint es egal zu sein, wie es Arne, Kai, Kira, Jenny, Silke oder gar mir so geht, generell. Wichtige Fragen des Ankeralltags werden geklärt: Tatsächlich noch mehr Holunderbrause bestellen? Könnten die Statistikblätter einfacher/komplizierter gestaltet werden? Wer hat eigentlich heute Schicht?
    Während eine heiße Diskussion darüber entbrennt, ob man den Kickertisch vielleicht statt mit Holzmännchen mit Holzweibchen ausstaffieren sollte (Vorschlag Silke), und Jochen einlenkt, dass man das ja schön an einem Mädchentag hätte tun können, spüre ich in meiner Jackentasche mein Handy rumoren. Eine SMS. Bestimmt von unendlicher Wichtigkeit. Wahrscheinlich von Katja. Oder Gunnar. Ich werde das erst in einer Viertelstunde herausfinden, oder noch später. Kira will auch Fußballweibchen haben und bietet zum Übergang an, den bestehenden Holzfigürchen kleine rosa und lila Trikots zu nähen. Jenny begeht den Fehler, für den eigentlich ich zuständig bin, und fragt genervt: »Ach, Kira, vielleicht ziehen

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