Betrogen
gelungen.«
»Glaub mir, es gab keinen Grund zur Angst.«
»Hatte ich auch nicht. Nicht wirklich.«
»Melina, bei mir bist du sicher.«
Lange Zeit betrachtete sie eingehend sein Gesicht, ehe sie flüsterte: »Nein, Chief, bei dir bin ich in Gefahr.«
»Wovor?«
»Vor â«
Ihre Antwort wurde unterbrochen. Jemand klopfte energisch ans Fenster. Keiner von beiden hatte bemerkt, dass jemand auf die Tragfläche geklettert war, um die Tür auf der Passagierseite zu erreichen. Ãberrascht wandte sie ruckartig den Kopf. Beim Anblick des Gesichts, das im Schein einer Taschenlampe wie eine Schreckensmaske zu ihr hereinschaute, gelang es ihr nur mit gröÃter Mühe, nicht zurückzufahren.
Pockennarbige Haut spannte sich über zwei messerscharfe Backenknochen. Die Augen waren zu Schlitzen verengt, der Mund ein schmaler Streifen zwischen zwei tiefen Falten neben einer Adlernase. Am Scheitel hatte der Mann sehr kurz geschorene Haare, während seine grauen Zöpfe fast bis zur Taille reichten.
Seine Augen wanderten an ihr vorbei zu Chief. »Hart?«
Sie folgte dem Blick des Indianers, drehte den Kopf und schaute ihrerseits Chief an, der ihren ungläubigen Gesichtsausdruck bemerkt haben musste, denn er sagte: »Beruhige dich, Melina, der skalpiert dich nicht.« Dann fügte er grimmig hinzu: »Hoffe ich wenigstens.«
Fünf Minuten später war Chief allerdings sicher, dass irgendwo
unterwegs Leitungen verwechselt und Funksignale vertauscht worden waren, oder dass sich der Gott, der für die Abteilung Schicksal zuständig war, auf seine Kosten höllisch amüsierte. So unwirklich war er sich während seiner drei Weltraumflüge keine Minute vorgekommen.
Ihr Begleiter war nicht nur schweigsam, sondern praktisch stumm und stellte sich nicht einmal vor. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie das Paar waren, zu dem man ihn geschickt hatte, wies er sie grunzend an, von Bord zu gehen. Dann kletterte er rückwärts die in die Tragfläche eingebauten Stufen hinunter und trollte sich in den Schuppen, um die Landelichter zu löschen. Weder half er Melina beim Aussteigen, noch bot er ihnen seine Taschenlampe an. Als sie kamen, saà er schon bei laufendem Motor hinter dem Lenkrad eines Pick-ups.
Was für eine zerklüftete, abgelegene, einsame Gegend. Durch die verschiedenen Ritzen im Pick-up pfiff der Wind, vor allem durch das Loch im Boden. Um nicht durchzufallen, musste Melina ihre Beine weit zur Seite drücken und fast über Chiefs legen. So saà sie zusammengekauert zwischen ihm und ihrem Fahrer und zitterte in der schneidenden Kälte, gegen die seine Lederjacke keinen Schutz bot. Der Fahrer schien mutwillig jede Furche in der StraÃe anzusteuern. Der Laster holperte derart über Steine, dass Chief die Schmerzen durchs Rückgrat fuhren. Um nicht bei jedem Ruck mit den Zähnen zu klappern, biss er die Kieferknochen aufeinander, bis es wehtat.
Jeder Versuch einer Unterhaltung wäre vergebens und ermüdend gewesen. Sie hätten brüllen müssen, um sich verständlich zu machen, denn der Motor dröhnte wie verrückt, und durch die Fahrerkabine jaulten Windböen. Und so herrschte während der ganzen Fahrt gequältes Schweigen.
Als der Laster endlich eine Anhöhe erreichte, hatten sie das Gefühl, Stunden seien vergangen, auch wenn es nur vierzig Minuten gewesen waren. Im matten grauen Dämmerlicht entdeckten sie unten am Fuà ein Gebäude. Chiefs Optimismus stieg in ungeahnte Höhen, um genauso heftig wieder abzustürzen.
Das konnte unmöglich ihr Ziel sein. Dafür war dieses Haus viel zu bescheiden, und der davor geparkte Pick-up viel zu alt.
Trotzdem trat ihr Fahrer aufs Bremspedal und bog in eine staubige Einfahrt ein. Die Steinmauern links und rechts stellten einen traurigen Versuch dar, die Zufahrt zu diesem Ort zu verschönern, der alles andere als schön war.
Er beugte sich über Melina und schrie dem Fahrer zu: »Sind Sie sicher, dass Sie Ihre Anweisungen richtig verstanden haben? Wissen Sie, wohin Sie uns bringen sollen?«
»Hierher.«
Chief warf Melina einen schrägen Blick zu, zuckte mit der Schulter und wiederholte lakonisch: »Hierher.«
Nur wenige Zentimeter vor den Stufen, die zur Haustür hinauf führten, kam der Laster knirschend und zitternd zum Stehen. Der Fahrer nahm den Gang heraus, lieà den Motor aber im Leerlauf.
»Ich
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