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Betrogen

Betrogen

Titel: Betrogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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Bei jedem Sonnenaufgang hatte sie mehr oder weniger gewusst, was sie erwartete.
    Die Vorstellung, mitten in der Nacht nach New Mexico zu fliegen, in einem zweisitzigen Flugzeug, das dringend eine Generalüberholung brauchte, wäre ihr verrückt erschienen. Damit aber all dieser Irrsinn einen Sinn ergab, musste sie sich lediglich an eins erinnern: Ihre Zwillingsschwester war ermordet worden.
    Auf wessen Anweisung war Gillian getötet worden? Auf Bruder Gabriels? Stand dieser so genannte Mann Gottes hinter
dem Plan, wie Jem behauptet hatte? Handelte es sich um ein genetisches Retortennetzwerk? Wurden arglose Frauen tatsächlich als Gebärmaschinen und menschliche Brutkästen benutzt?
    Allein der Gedanke verkörperte das Böse in Person, und doch kannte die Fantasie keine Grenzen, oder? Wie viele Frauen und ihre Babys waren diesem »Plan« geopfert worden? Das Baby der Andersons? Wahrscheinlich. Jem hatte gesagt: »Wir würden sie gerne wieder benutzen.« Damit war Candace Anderson gemeint.
    Jedes Mal, wenn sie daran dachte, wie Jem mit einem eiskalten und selbstgefälligen Lächeln zu ihr gesagt hatte, der Große Plan brauche jetzt sie, da Gillian nicht mehr zur Verfügung stand, zitterte sie. Durch diesen Satz war aus der Suche nach Antworten mehr geworden als nur Rache für die Ermordung ihrer Schwester. Obwohl diese noch immer oberste Priorität hatte, agierte sie mittlerweile auch zu ihrer eigenen Verteidigung.
    Chief riss sie aus ihren Gedanken, indem er sagte: »Inzwischen hab’ auch ich nicht mehr viele Reserven.«
    Â»Ist ja nicht gerade ermutigend für einen Passagier kurz vor der Landung.«
    Er grinste sie an. »Kinderspiel.«
    Â»Willst du deine Jacke wiederhaben?«
    Â»Behalt sie.«
    Sie war froh, sie nicht hergeben zu müssen, denn sie kuschelte sich so gerne hinein. Wie schön sich das handschuhweiche Leder anfühlte. Wie gut es nach ihm roch.
    Beim Überfliegen der Zeitgrenze für die Bergregion hatten sie eine Stunde gewonnen, deshalb war es vor den Flugzeugfenstern immer noch dunkel. Unten waren weder Lichter noch Wahrzeichen oder Bezugspunkte zu sehen, an denen sie sich orientieren konnte. »Chief, du hast gesagt, wir wären fast da. Wo denn?«
    Â»Gleich da vorne.«

    Â»Liegt da eine Stadt?«
    Â»Eine Landebahn.«
    Â»Wie bei Pax?«
    Â»Nicht so schick.«
    Auch das war nicht sehr ermutigend. »Weiß jemand, dass wir kommen?«
    Â»Ich habe einen Flugplan eingereicht. Irgendeiner wird uns dort erwarten. Ich habe alles übers Handy arrangiert, während du mit Pax herumgeschmust hast.«
    Â»Ich habe nicht… Du siehst den Berg da, ja?«
    Â»Welchen Berg? Melina, war doch nur Spaß«, sagte er, als sie ihn mit blankem Entsetzen anschaute. »Ich sehe den Berg. Ich weiß, was ich tue. In Ordnung?«
    Â»Natürlich tust du das. Entschuldige.«
    Aber als das kleine Flugzeug scheinbar den Berggipfel streifte, musste sie doch den Impuls unterdrücken, die Füße zu heben, damit die Maschine besser über den Gipfel käme. Kurz danach atmete sie erleichtert aus. Anschließend kippte das Flugzeug stark nach rechts. »Chief!«
    Â»Für einen direkten Anflug ist es zu steil. Ich muss hinunter kreisen. Denk an einen Falken.«
    Sie versuchte, sich einen Raubvogel vorzustellen, der auf Luftwirbeln dahinglitt, aber ihr einziger Gedanke galt der Felswand, die zum Greifen nahe schien.
    Â»Da sind die Lichter«, bemerkte Chief.
    Unten begrenzten zwei Lichtreihen eine schmale Landebahn. »Die Lichter sind gut zu sehen«, pflichtete sie bei.
    Ruhig und gekonnt drehte Chief zwei gemütliche Runden durch den tiefen Bergkessel, wobei er allmählich an Höhe verlor. Als er zum letzten Anflug ansetzte, schien das Flugzeug die spärliche Vegetation zu streifen. Unter ihnen tauchte die Landebahn auf. Sekunden später setzte er die kleine Maschine auf. Es war die glatteste Landung, die Melina je in einem Flugzeug erlebt hatte, egal, wie groß. »Gut gemacht«, meinte sie knapp.
    Â»Danke.«

    Sie rollten zu dem kleinen Hangar, wo er die Maschine abschaltete. Der Propellerlärm reduzierte sich auf ein leises regelmäßiges Klatschen, dann herrschte Stille. Er schaute zu ihr hinüber und gestand mit gedämpfter Stimme: »War ein bisschen Brusttrommeln dabei.«
    Â»Habe ich gemerkt.«
    Â»Ich wollte dich beeindrucken.«
    Â»Ist dir auch

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