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Betrogen

Betrogen

Titel: Betrogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brown Sandra
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großer Feigling.«
    Â»Das habe ich schon beim ersten Mal kapiert«, meinte er barsch. »Hätten Sie die Güte, mir den Grund für Ihre Meinung mitzuteilen?«
    Â»Ganz und gar nicht.« Obwohl sich die Türen im Erdgeschoss öffneten, blieb sie, wo sie war. »Es war falsch von Jem, auf Sie loszugehen. Trotzdem hatte er in einem Punkt Recht: Sie sind ein Lügner.« Noch ehe er widersprechen konnte, setzte sie nach: »Sie waren viel zu feige, um Lawsons Frage wahrheitsgemäß zu beantworten.«
    Â»Welche Frage?«
    Â»Ob Sie mit Gillian geschlafen haben. Sehen Sie, ich weiß, dass Sie es getan haben.«

12
    Chief schlug die Tür zu seiner Suite im Mansion hinter sich zu, warf seine Jacke auf einen Sessel und steuerte schnurstracks die Bar an. Obwohl es ihn nach einem Bourbon gelüstete, entschied er sich für etwas Nichtalkoholisches. Er nahm das Getränk zum Sofa hinüber, wo er sich der Länge nach in die Kissen warf und auf einen Zug die halbe Dose leerte. Erst dann holte er Luft. Aber nicht zu tief. Sonst hätte er vielleicht Gillians Parfüm auf den Sofakissen gerochen – eine viel zu schmerzliche Erinnerung für ihn.
    Noch ehe er es verhindern konnte, entrang sich ihm ein rauer, erstickter Laut. Er setzte sich auf und stellte das Getränk auf den Couchtisch, dann stützte er die Ellbogen auf die Knie, raufte sich mit allen zehn Fingern die Haare und hielt sich den Kopf. Verzweiflung legte sich wie ein Kettenpanzer um ihn. Er machte die Augen fest zu und atmete langsam aus.

    Himmel, wie hatte ihm das passieren können? Warum? Welchen Gott hatte er erzürnt?
    Er würde nicht weinen. Astronauten weinen nicht. Menschen weinen nicht, weil jemand stirbt, den sie nur ein paar Stunden kannten.
    Aber auch ohne Tränen hatte er eine zugeschnürte Kehle, und als er die Augen öffnete, waren seine Wimpern verdächtig feucht.
    Er griff nach der Dose und trank kleine Schlucke, wobei er über Melinas Abschiedsworte nachdachte. Mit aller Macht hatte er sich bemüht, wütend zu bleiben. Nachdem sie ihm den Fehdehandschuh hingeworfen hatte, war sie buchstäblich unter dem Banner rechtschaffener Empörung aus dem Aufzug gerauscht und hatte ihn sozusagen mit seinem Schwanz im Dreck sitzen gelassen. Beim Versuch, ihr zu folgen und sie seinerseits herauszufordern, war ihm jemand dazwischen gekommen, der an einem der Kassenschalter Schlange stand, den das Polizeipräsidium freundlicherweise zum Begleichen von Bußgeldern zur Verfügung stellte. Bis er dem Mann zum Dank für seine stürmische Begrüßung die Hand geschüttelt hatte, war Melina verschwunden.
    Während der Rückfahrt ins Hotel hatte er versucht, die von ihr angefachte Wut weiter anzuheizen. Sie hatte ihn einen Lügner und Feigling genannt. Als Hennings das Gleiche getan hatte, hätte er ihn am liebsten erwürgt. Obwohl er jedes Recht hatte, stocksauer zu sein, war es ihm nicht gelungen, wütend zu bleiben. Das hatte sein Gewissen nicht zugelassen. Er wusste, dass er auf der falschen Seite stand.
    Ã„rger war eine sichere Emotion. Mit Wutausbrüchen war er vertraut, die wusste er zu nehmen und zu kontrollieren. Aber das hier – was auch immer das hier war – war ihm gänzlich fremd. Wie sollte er eine Emotion, die ihn innerlich zerfetzte, in den Griff bekommen, wenn er sie nicht einmal identifizieren konnte?
    Man hatte eine schöne Frau brutal ermordet, ohne Zweifel
eine Tragödie. Trotzdem war sein Verhältnis zu Gillian so flüchtig gewesen, dass er nicht einmal mit Sicherheit sagen konnte, ob diese nagende Verzweiflung dafür gerechtfertigt war.
    Dennoch konnte er nicht einfach den Staub von den Schuhen schütteln und die Sache vergessen. Es war nicht Lawsons Standpauke über Pflicht und anständiges Benehmen, die ihn hier hielt. Er hatte ein eisernes Verantwortungsgefühl, allerdings nicht unbedingt der Polizei von Dallas gegenüber. Die Bemerkung des Kommissars, er solle um Melinas willen bleiben, hatte gesessen, aber nicht einmal sie hätte genügt, um ihn daran zu hindern, seine Habseligkeiten in den Matchsack zu stopfen und nach Houston zurückzufahren.
    Nein, da war noch etwas, was ihn zum Bleiben zwang, bis zum bitteren Ende. Etwas, das sich nicht benennen ließ. Etwas, woraus er noch nicht schlau geworden war.
    Er trank aus und stellte die Dose auf den Couchtisch, ehe er sich wieder auf die

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