Betrogen
hat sie ihn nie korrigiert und sich ihm gegenüber als Melina ausgegeben.«
»Herr Kommissar, sollte dieser Mann den gemeinsamen Anblick von Gillian Lloyd und Colonel Hart aus irgendeinem Grund als Affront empfunden haben«, mutmaÃte Birchman, »dann hätten Sie meiner Meinung nach einen Verdächtigen.«
»Aber warum sollte er vergrätzt sein, nur weil er sie mit mir sah?« Wieder schaute er zu Jem hinüber. »Es sei denn, er wäre ein Freund von Ihnen und hätte die falschen Schlüsse gezogen.«
»Sie sind ein echter Kotzbrocken«, höhnte Jem. »Ist denn keinem von euch klar, dass er das alles nur erfindet? Er hat einen Popanz herbeigezaubert, um sich selbst aus der Schusslinie zu bringen. Er lügt!«
In Windeseile fuhr Chief von seinem Stuhl hoch. »Sie Mistkerl.« Doch er erkannte, dass es klüger war, sich zu beherrschen und nachzugeben, und drehte sich abrupt zu Melina um. »Melina, ich habe den Kerl gesehen. Mit ihm gesprochen.«
Mehrere Sekunden hielt sie seinen Blicken stand, dann schaute sie Lawson an. »Eine Ãberprüfung wäre nicht falsch, oder? Wenn dieser Mann so seltsam aussah, wie ihn Colonel
Hart beschrieben hat, erinnert sich vielleicht sonst noch einer an ihn.«
»Hart, ist das alles, was Sie uns über ihn sagen können?«
Er raufte sich die Haare, als sei er aufs ÃuÃerste erregt. Sein Ãrger hatte noch keinen passenden Blitzableiter gefunden. »Jaa. Die ganze Begegnung hat vielleicht zwanzig oder dreiÃig Sekunden gedauert.«
»Haben Sie sein Auto gesehen?«
»Nein.«
»Fangen Sie nochmal von vorne an. Vielleicht fällt Ihnen noch etwas ein.«
Er schien die Notwendigkeit dieser Bitte bestreiten zu wollen, schaute dann aber doch zu ihr hinüber, und sein Ãrger verflog ein wenig. »Er hat uns beim Betreten des Lokals die Tür aufgehalten. Er hat Gillian angesprochen. Namentlich. Ich glaube nicht, dass sie ihn erkannt hat. Es war einer jener merkwürdigen Momente, in denen man von jemandem angesprochen wird, den man eigentlich kennen sollte, ohne dass man ihn einordnen oder sich an seinen Namen erinnern könnte.«
»Das haben wir alle schon erlebt«, sagte sie.
»Trotzdem hat er in ihrem Gedächtnis etwas ausgelöst.«
»Jaa«, antwortete Chief auf Lawsons Drängen. »Meiner Ansicht nach hat er seinen Namen genannt, aber selbst wenn Sie mir eine Kanone an den Kopf halten, könnte ich mich nicht daran erinnern.«
»Versuchen Sieâs.«
»Herr Kommissar, er sagte, er könne sich nicht daran erinnern«, meinte Birchman gereizt.
»Birchman, das ist meine Vernehmung, verstanden?«
Sie hätten genauso gut schweigen können, denn Chief schien sich in sich selbst zurückgezogen zu haben. Sie beobachtete, wie er sich mit eisernem Willen zum Erinnern zwang. Die Anstrengung, sich an vergessene Details zu erinnern, verzerrte seine Gesichtszüge. Sein Gehirn war ein Computer, der mehr Informationen enthielt, als sich ein Durchschnittsmensch ausmalen
konnte. Dort waren komplizierte technische, wissenschaftliche und raumfahrtbezogene Daten gespeichert, Daten, die die Ausführung seines Jobs verlangte. Um diese Informationen im Bedarfsfall aufzurufen, musste er sich lediglich konzentrieren, so, als ob er eine gespeicherte Datei auf einem Computer-Bildschirm aufriefe.
»Auch nachdem er seinen Namen genannt hat, hat es bei Gillian meiner Meinung nach erst klick gemacht, als er sagte â«
Die Diskussion zwischen Lawson und Birchman erstarb. Beide hielten inne und lauschten Chief.
»Verdammt, was hat er nur gesagt?« Er kniff die Augen zusammen und zwickte sich in den Nasenrücken. »Er sagte â von â« Er riss die Augen auf. »Waters. Waters. Das hat er gesagt.«
»Waters!«
Lawson warf ihr einen scharfen Blick zu. »Bedeutet das etwas, Melina?«
»Die Waters Klinik.«
»Was ist das?«
»Oh Gott«, stöhnte Jem und vergrub die Faust in der flachen Hand. »Ich wusste es, diese künstliche Befruchtung war keine gute Idee. Ich war die ganze Zeit dagegen.«
Sie warf ihm einen zornig-ungläubigen Blick zu, hatte aber keine Gelegenheit mehr, auf seine Bemerkung zu reagieren, denn Lawson sah ihre Erregung und bohrte nach.
»Die Waters Klinik«, erläuterte sie. »Ihr Spezialgebiet ist Unfruchtbarkeit. Gillian war gestern dort.«
»Während des
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