Betrogen
den Händen, ehe er fluchend nach seinem Handy griff. Aber es klingelte weiter. Erst jetzt begriff er, dass das Zimmertelefon läutete. Er streckte sich übers Sofa, um den Apparat auf dem Beistelltisch abzuheben.
»Was ist?«
»Colonel Hart?«
»Wer ist da?«
»Dexter Longtree.«
»Was wollen Sie?«
Das war grob, aber das war ihm längst egal. Schon heute Morgen hatte er dem alten Häuptling alles gesagt, was er zu sagen hatte. Er hatte jede Hoffnung vernichtet, dass es zwischen ihnen je eine funktionierende Beziehung geben könnte. Wenigstens dachte er, sich klar genug ausgedrückt zu haben. Seither war viel passiert, nichts Gutes und alles nur eine Tragödie. Wenn er nun schlechter Laune war, dann nur zu Recht.
»Ist alles in Ordnung?«
»Warum nicht?«
»Als ich Sie das letzte Mal sah, hatten Sie gerade Ãrger mit der Polizei.«
»Keinen Ãrger, nur â«
»Wenn Sie sich erinnern, habe ich prophezeit, dass Sie möglicherweise schon bald meiner Hilfe bedürfen.«
Chief stieà einen verächtlichen Laut aus. »Was, Longtree, hatten Sie eine Vision oder Ãhnliches? Sind Sie ein Medizinmann?«
Nach einer winzigen Pause fragte der alte Häuptling: »Colonel Hart, verachten Sie Spiritualität so sehr?«
»Was ich verachte, sind Leute, die kein Nein als Antwort akzeptieren und sich nicht um ihren gottverdammten eigenen Kram kümmern.«
»Aber Sie sind mein Kram«, stellte er fest, ohne dass seine Stimme auch nur zuckte. »Sie und alles, was Sie tun, und alles, was Ihnen zustöÃt, sind für mich auÃerordentlich interessant und wichtig.«
Chief wurde zunehmend gereizter. »Dann ist das Ihr Problem. Ich habe Ihnen gestern und erneut heute Morgen gesagt, dass ich mich nicht an Ihrer Gruppierung beteiligen will, dass meine Interessen nicht mit denen der NAA kompatibel sind.«
»Dass wir Sie mehr brauchen als Sie uns.«
»Also haben Sie doch zugehört.«
»Ich habe zugehört, Colonel Hart. Und Sie haben sich sehr deutlich ausgedrückt.« Er schwieg so lange, dass Chief gerade mit einer Entschuldigung auflegen wollte, als Longtree hinzu fügte: »Ich hatte gehofft, Sie hätten Ihre Ansicht seit heute Morgen geändert. Dass Ihnen unglückliche Umstände das nahe gelegt hätten.«
Plötzlich lief es Chief kalt über den Rücken. Er hatte den Eindruck, als habe sich sein Leben nach seinem gestrigen Treffen mit Longtree und Abbott spiralförmig in den Orkus hinabbewegt. »Nun hör mir mal zu, du Mistkerl, wenn du â«
»Offensichtlich vertreten Sie noch immer dieselbe Ansicht. Ich werde Ihnen noch etwas Zeit zum Nachdenken geben. Tun Sieâs sorgfältig. Auf Wiederhören, Colonel Hart.«
»Warten Sie«, brüllte Chief in den Hörer, aber Longtree hatte aufgelegt.
Chief warf den Hörer auf die Gabel und begann, durchs Zimmer zu tigern. Er versuchte es mit Logik. Gab es vielleicht eine Verbindung zwischen Longtree, seinem Kumpan Abbott und dem, was Gillian zugestoÃen war? Hatten sie möglicherweise eine unschuldige Frau geopfert, um einen Skandal vom Zaun zu brechen, aus dem sie ihn dann »erretten« würden? Denn damit stünde er todsicher in ihrer Schuld, nicht wahr?
Er fluchte mit einer Inbrunst, die nur jahrelanges Training ermöglicht.
Falls es so abgelaufen war, falls auch nur die geringste Möglichkeit einer Verbindung zwischen Longtree und dem Mord bestand, müsste er Lawson sofort Mitteilung machen. Aber was würde er ihm sagen? Er hege den leisen Verdacht, man habe ihn gelinkt?
Noch ehe er seinen nächsten Schritt entschieden hatte, klingelte das Telefon erneut. Der alte Junge mit den Zöpfen verschwendete aber auch keine Sekunde, was? Chief schnappte sich den Hörer. »Noch mehr Drohungen, Longtree?«
»Wer ist Longtree, und womit droht er?«
Es war Lawson.
»Völlig egal«, nuschelte Chief.
»Wer â«
»Der Alte, mit dem ich gefrühstückt habe. Es geht â um Geschäftliches«, meinte er ungeduldig. »Ist kompliziert. Hat nichts mit dem Rest zu tun. Was wollen Sie?«
»Hart?«
Das war nicht Longtree. »Jaa?«
»Wir haben ihn gefunden.«
»Wen?«
»Den Irren aus Ihrer Beschreibung.«
Es dauerte ein, zwei Sekunden, bis sein Gehirn umgeschaltet hatte. Langsam setzte er sich auf die Sofalehne und verdaute
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