Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)
der Krautinsel. Aber da wird sie sich doch wohl kaum verschanzt haben, jeden Winter, oder? Das muss irgendwas Tolles gewesen sein, wo es wärmer ist als hier. Marokko, Côte d’Azur, Malediven, Dom-Rep – weißt du das nicht?«
»Nein«, druckst die Lechner-Oma herum und fährt mit den Zeigefingern über ihre Dirndlschürze. Nach einer kleinen Pause hebt sie den Kopf und meint: »Also, sie war da ja auch mindestens fünf Jahre lang nimmer. Die wird ja jetzt auch bald achtzig, da fährst nimmer in der Weltgeschichte umeinander wie der Kolumbus. Und davor hat sie immer nur gesagt, sie fährt in den Süden, und ihr Boot ist lang in Gstadt drüben am Anleger ghängt. Und nach zehn Wochen war sie dann immer wieder da.«
»Braun gebrannt und gut erholt?«
»Gut erholt schon, aber braun? Braun kann man jetzt so direkt nicht sagen.«
»Ja, da hat die Oma recht«, kommt ihr jetzt Leonie zur Hilfe, »aber das muss nix heißen, die war halt auch ein echtes Kasloaweh 12 , die Caro, so wie du. Vornehme Blässe und so, weil sie doch immer mehr so die feine Dame war.«
»Das kann doch nicht sein, dass ihr das nicht wisst! Ich dachte, sie ist eure Freundin? Worüber redet ihr denn, wenn nicht über so etwas?«
»Mei«, verteidigt sich die alte Lechnerin. »Wenn einer nicht reden will, dann muss er nicht reden. Ich hab mir immer denkt, wahrscheinlich will sie einfach ihre Ruh haben, und deswegen sagt sie’s keinem. Damit keiner mitfahren will. Und so richtig aufgefallen ist mir des sowieso ned, weil – ich hätt ja eh nicht mitfahren können, wer hätt denn dann dem Sepp sein Essen gemacht? Und der Leonie?«
»Ja, die Mama halt! Die tät sich freuen, wenn sie uns mal was kochen dürft!«, mischt sich die Leonie ein.
»Du meinst, wenn sie euch einen Salat machen könnt, oder irgendwas anders von die Gewichtwotscher 13 ? Geh weida, mein Sepp, der ist Fischer, der wenn einen Salat isst und sonst nix, dann fällt der vom Boot und dersauft! Die Gabi immer mit ihrem Diätschmarrn!«
»Ja, ich weiß schon, aber die Mama meint’s doch nur gut.«
»Gut meinen, gut meinen, aber was das kostet! So eine schwindlige Saftkur hat sie sich bestellt im Internet, Detox und so weiter, dreihundert Euro für zwei Wochen … Und ich fahr bis auf Reit im Winkl, weil da die Butter billiger ist!«
»Apropos Geld raushauen«, unterbreche ich die Diskussion, um ein bisschen anzugeben, »wenn ihr wüsstet, welche Provisionen ich in meinem neuen Job bekomme, würdet ihr mir ein bisschen schneller antworten.«
Die Lechner-Oma schaut mich erschrocken an. »Mei, also Sefferl, wennst willst, dann geb ich dir halt ein Geld!«
Ich winke ab. »Passt schon, ich habe dieses Wochenende Zeit. Aber ich wäre froh, wenn du mich ein bisschen unterstützen würdest und mir erzählst, was du weißt.«
»Freilich«, nickt die alte Bergfischerin eifrig. Ich sehe sie erwartungsvoll an, der Wassertopf simmert und dampft vor sich hin, aber Anneliese zupft wieder nur schweigend an ihrer Schürze herum.
»Dann halt nicht«, gebe ich genervt auf. »Wie du willst. Leonie, können wir jetzt zu der Ärztin gehen, die im Priener Krankenhaus arbeitet?«
Das niedrige weiße Haus, zu dem mich Leonie führt, ist genau auf der anderen Seite der Insel, kurz vor dem Hauptsteg für die Dampfer. »Sonnfischer« steht auf dem Schild, das an einem schmiedeeisernen Bogen baumelt, an der Hauswand stapeln sich zusammengelegte Biergartentische und Bänke.
»Sonnfischer, das ist doch der Hausname, oder?«
Leonie nickt.
»Und Tante Caro«, frage ich nach, »hatte die auch einen Hausnamen?«
»Ich glaube nicht, also nicht direkt. Das darfst du mich nicht fragen«, sagt die Leonie zögernd und schaut so komisch an mir vorbei auf den See, als würde gleich etwas Interessantes aus dem zähen Nebel auftauchen. Tut es aber nicht, und wir gehen durch den Biergarten zu der alten Holztür, und ein alter Herr mit Albert-Einstein-Frisur und Dackelfalten macht uns die Tür auf.
»Servus Boni«, gibt ihm die Leonie einen Kuss auf die Wange und geht an ihm vorbei in einen Hausgang, in dem es nach frischer Farbe riecht. »Ist die Helga auch da?«
»Ja«, antwortet der Seniorfischer langsam, und sein Mund dehnt sich zu einem so breiten Lächeln, dass es ihm vor Begeisterung das ganze Gesicht zerknittert. Der scheint mal echt verschossen zu sein in seine Frau Doktor.
In der Küche herrscht eine Temperatur wie in der Sauna, von den rot glühenden Platten eines alten Holzherds geht eine solche
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