Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)

Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition)

Titel: Betthupferl: Roman (Fraueninsel-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
Vom Netzwerk:
ins Haus, hole mir den Reiseführer Traumstraßen der USA aus meinem Koffer und lege mich ins Bett. Aber noch bevor ich vom Highway No. 1 zur Route 66 blättern kann, rutscht mir das Buch auf die Seite, und ich bin eingeschlafen.

Mein Gehirn braucht eine ganze Weile, bis es realisiert, dass das Telefon nicht nur im Traum klingelt. Und dann noch eine Weile, bis ich mich erinnere, dass ich auf der Fraueninsel bin, in meinem Dachzimmer, und das Telefon unten im Flur auf dem Biedermeierschränkchen liegt. Ich taste nach dem Lichtschalter und rumple nach unten. Die Uhr im Hausgang zeigt zehn Minuten nach sechs.
    »Josepha! Ich bin gerade in Prien in der Klinik«, höre ich Helgas leicht schwäbischen Singsang durchs Telefon. »Stell dir vor, deine Patentante ist nicht als geheilt entlassen worden. Sie hatte direkt am Tag ihrer Entlassung nochmals einen kleinen Infarkt, war danach einen Tag intensiv und ist dann verlegt worden ins Krankenhaus Dritter Orden in München!«
    »Wirklich?«, frage ich erschrocken, und in meinen Gedanken zerbricht Tante Caros Cocktailglas auf dem Boden vor ihrem Liegestuhl. »Wieso denn nach München?«
    »Das weiß ich nicht, angeblich auf eigenen Wunsch, steht in der Akte«, meint Helga. »Medizinisch ist nichts vorgelegen, was in Prien nicht hätte behandelt werden können.«
    »Und liegt sie noch im Dritten Orden?«
    »Nein. Da habe ich gerade angerufen.«
    »Und wo ist sie jetzt?«
    »Das weiß ich nicht. Ich kann mir aber kaum vorstellen, dass sie ein paar Tage nach einem Schlaganfall in den Urlaub gefahren ist. Mehr kann ich leider nicht herausfinden. Und ich muss weiter, ich habe Frühschicht.«
    Ich setze mich fröstelnd an den Küchentisch, draußen ist es noch dunkel. Auf dem Küchentisch liegt seit gestern das Gästebuch. Als ich es zu mir ziehe und aufschlage, fällt eine Visitenkarte auf den Boden und landet auf den blanken Dielen.
    »Doktor Hannes Bergmann, Portfoliomanager. Südliche Auffahrtsallee 129a, München«, steht in goldener Schrift darauf. Was so einer wohl mit Tante Caro zu tun hatte?
    Ich ziehe mir Tante Caros Morgenmantel über, ein flanellgefüttertes Ungetüm mit grün-roten Schottenkaros, und schaue durch die Sprossenfenster auf den See, Richtung Herreninsel. Die Wege zweier Passagierschiffe kreuzen sich gerade, eines ist zur Fraueninsel, eines von der Fraueninsel weg unterwegs. Es sind aber nicht nur die Dampfer, die die Welt da draußen heute Morgen lebendiger aussehen lassen. Es ist vor allem der Himmel. Er ist bleistiftgrau, aber da, wo er in die Silhouetten der weiß-schwarz schattierten Berge übergeht, sieht es aus, als hätte jemand die Gipfel mit einem leichten Pfirsichton nachgezogen, der an den Rändern in ein strahlendes Weiß übergeht. »Schnee«, sage ich vor mich hin, »der erste Schnee.« Der Nebelvorhang ist weg, seit meiner Ankunft sehe ich die Berge gerade zum ersten Mal. Und als es an der Haustür klingelt, kann ich mich von ihrem Anblick kaum losreißen.
    »Guten Morgen! Ich wollte gerade wieder ins Bett gehen. Aber halb sieben Uhr morgens ist hier anscheinend rush hour «, begrüße ich erstaunt eine Frau mit kurzem schwarzem Schleier, grauem Sweatshirt und schwarzer Jogginghose.
    »Ist es auch, mein Kind, damit die Insulaner mit gutem Gewissen um acht Uhr abends ins Bett gehen können«, lacht Schwester Sebastiana, ihr Gesicht ist gerötet und frisch, als hätte sie sich gerade mit kaltem Wasser abgeschrubbt. »Ich mache gerade meine Morgenrunde, und ich habe dir etwas mitgebracht.«
    »Aha«, meine ich unsicher und sehe mir den Begleiter der Klosterschwester an, der die Hände vor der Brust faltet und sich mit einem sonnigen »Namaste« vor mir verbeugt. Er hat eine weite naturfarbene Stoffhose um seine Hüften gewickelt, der Oberkörper ist bedeckt von einem ausgewaschenen roten T-Shirt und einer langen Kette aus großen Perlen, glatt und orange wie Multivitaminbonbons. Als Kontrast zu seinen nackten Füßen ist sein Kopf mit einer dicken, ebenfalls naturweißen Wollmütze bedeckt.
    Schwester Sebastiana lacht und verfolgt meinen Blick.
    »Nein, mein Kind, das ist nicht das Mitbringsel, sondern mein Joggingpartner Gorvinder.«
    »Obwohl ich mir sicher bin, dass unsere Seelen Gefallen aneinander finden würden«, säuselt der Yogi, um die Augen Lachfalten wie Sonnenstrahlen, und reicht mir mit einer Verbeugung eine Visitenkarte, die er aus einer Falte seiner weiten Hose zaubert. »Yoga, Chakra- und Energiearbeit«, steht darauf, und auf

Weitere Kostenlose Bücher