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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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für Drew – im speziellen das Nichtstun. Niemand, dem er in seinem kurzen Leben begegnet war, hatte je etwas anderes getan als nichts. Aber in dieser Umgebung, das merkte er schon am ersten Tag, würde er mit Nichtstun kaum weit kommen. All diese Leute hier hatten richtiggehend Angst davor, nichts zu tun.
    Also beschäftigte er sich eingehend mit den Dingen, von denen sie annahmen, sie würden ihm Kopfzerbrechen bereiten. Er lernte die Namen von allen, die auf dem Anwesen wohnten – sie nannten es tatsächlich so, ›Anwesen‹ –, und auch, wie sie miteinander verwandt waren: Leisha und ihre Schwester, eine alte Dame, die einen Schlaganfall gehabt hatte und eine Schläferin war, deren Schläfer-Sohn Jordan und seine Schlaflosen-Frau Stella, bei denen Drew ziemlich rasch draufkam, daß er sie ›Mister Watrous‹ und ›Mrs. Bevington-Watrous‹ nennen mußte. So waren sie eben. Sie hatten drei Kinder, Alicia und Eric und Seth. Alicia war schon erwachsen – konnte durchaus schon achtzehn sein, aber noch nicht verheiratet, was Drew komisch vorkam. In Montronce hatten die Frauen mit achtzehn für gewöhnlich schon ihr erstes Kind. Aber vielleicht waren Macher anders.
    Es gab noch andere Leute, die auf dem Anwesen wohnten, zumeist Schlaflose, aber nicht alle. Drew brachte in Erfahrung, was all diese Leute taten – sie hatten mit dem Gesetz zu tun und mit Geld und mit ähnlichen Macher-Dingen –, und bemühte sich, nicht das Interesse zu verlieren. Wenn ihm das nicht gelang, dann versuchte er zumindest, sich nützlich zu machen, übernahm kleine Besorgungen und fragte die Leute, ob sie etwas brauchten. »Serviler kleiner Lakai«, hörte er Alicia einmal sagen, aber dann fuhr ihr die alte Dame gehörig über den Mund und sagte: »Daß du mir den Kleinen ja nicht abfällig behandelst, junge Dame! Mit den Genen, die er hat, kann er nicht mehr tun, und ich werde nicht zulassen, daß du auf ihm herumtrampelst!« Drew hatte nicht den Eindruck gehabt, als würde jemand auf ihm herumtrampeln; er wußte weder, was ›servil‹, noch was ›Lakai‹ bedeuten sollte. Aber er merkte, daß die alte Dame ihn gern hatte, und danach verbrachte er viel Zeit damit, ihr zur Hand zu gehen; schließlich hatte sie es ohnedies am nötigsten, wo sie doch schon so alt war.
    »Du hast nicht zufällig einen Zwillingsbruder, Drew?« fragte sie ihn einmal. Sie saß vor einem Terminal, das sie sehr langsam bediente.
    »Nein, Madam«, antwortete er umgehend. Die Vorstellung verursachte ihm Gänsehaut. Niemand sonst war wie er!
    »Ah«, sagte die alte Dame und lächelte ein bißchen. »Definitiv keine paranormale Kommunikation.«
    Sie bedienten sich einer Menge Wörter, die er nicht verstand – Wörter, Ansichten, Umgangsformen. Sie sprachen von der Verschiebung der Wahlenergetik – was für eine Sorte war das? Etwas anderes als Y-Energie? Über die genmodifizierten Diatomeen, mit denen man Madagaskar ernährte, über die Vorteile circumlunarer Orbitalstationen verglichen mit den älteren circumterrestrischen. Sie verlangten von ihm, das Fleisch mit der Gabel festzuhalten und mit dem Messer zu schneiden, nicht mit vollem Mund zu reden und danke zu sagen, auch für Zeug, das er gar nicht wollte. Er tat es alles. Sie sagten ihm, er müsse Lesen lernen, und er arbeitete tagtäglich am Bildschirm, obwohl es kein Weiterkommen zu geben schien und er sich nicht vorstellen konnte, wozu er das je gebrauchen würde. Terminals sagten einem laut und deutlich alles, was man wissen wollte, und außerdem war nicht soviel Platz für Bilder, wenn schon Wörter auf dem Bildschirm standen. Für Drew ergaben Bilder ohnehin mehr Sinn als Worte. Das war immer schon so gewesen. Er spürte die Dinge in den Bildern, die Farben und Formen, spürte, wie sie aus dem tiefsten Winkel seines Hirns aufstiegen und plötzlich seinen ganzen Kopf füllten. Die alte Dame war eine Spirale, vertrocknet und rostfarben; die Wüste nachts erfüllte ihn mit weichem, gleitendem Rot. Solche Dinge eben. Aber sie meinten, er sollte Lesen lernen, also tat er es.
    Sie sagten auch, er müßte mit Eric Bevington-Watrous auskommen, aber das fiel ihm noch schwerer als Lesen. Und es war auch Eric, der als erster Drews Problem mit dem Essen bemerkt hatte. Er war klug; sie waren alle so verdammt klug!
    »Macht dir wohl zu schaffen, das richtige Essen, wie?« hatte Eric gehöhnt. »Bist an diesen Nutzerfraß aus SojSynth gewöhnt, und echtes Essen rumort dir in den Gedärmen, stimmt’s? Warum

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