Bettler 01 - Bettler in Spanien
Selbstverteidigung. Es ist hoch an der Zeit, daß Sanctuary durch den Besitz von Verteidigungswaffen eine starke Verhandlungsposition entwickelt. Das blieb uns bisher durch die sorgfältige internationale Überwachung aller unserer Transaktionen mit der Erde, wie verdeckt auch immer, versagt. Und es ist uns nur deshalb gelungen, die Bettler vierundzwanzig Jahre lang von hier fernzuhalten, weil wir ihnen niemals auch nur den geringsten rechtlichen Vorwand für einen Durchsuchungsbefehl gegeben haben.«
Jennifer las in den Gesichtern ihrer Zuhörer und kalkulierte: Will und Victor Lin standen fest hinter ihr – gut, denn Lin war einflußreich; die Körpersprache von drei weiteren verriet Empfänglichkeit; drei Gesichter wirkten verschlossen und finster; acht sahen überrascht oder unsicher drein, einschließlich Lucy Arnes. Und ihrer beiden Kinder.
Ruhig und beherrscht fuhr sie fort: »Der einzige Weg, um sowohl das Eindringen von Schläfern nach Sanctuary zu verhindern, als auch um Verteidigungswaffen zu erzeugen, führt über den Einsatz unserer einen unleugbar überragenden Technik: über die Gentechnik. Wir haben das bereits mit den neuen GenMods für Miranda und die anderen Kinder getan. Jetzt sollten wir daran denken, unsere größte Stärke für die Schaffung von Verteidigungswaffen zum Einsatz zu bringen.«
Ein Proteststurm brach los. Sie und Will hatten damit gerechnet. Sanctuary, ein Refugium, hatte keinen militärischen Hintergrund. Will und Jennifer hörten genau zu, weniger wegen der Argumente, sondern eher, um mögliche Verbündete auszumachen. Wer war zu überzeugen, wer niemals, wer war welchen Schritten im Geäst der Entschlüsse zugänglich. Sämtliche Schritte würden selbstverständlich offen erfolgen und Geltung besitzen: Gemeinschaft über alles. Aber Gemeinschaften veränderten sich. Die acht nicht der Familie angehörenden Ratsmitglieder würden ihre Sitze nur für zwei Jahre behalten. Und selbst die Zusammensetzung der Familie konnte sich ändern. Lars Johnson war Najlas zweiter Ehemann; vielleicht würde sie einen dritten haben oder Ricky eine neue Ehefrau. Und mit sechzehn würde auch die nächste Generation berechtigt sein, Plätze in der Ratsversammlung einzunehmen. Für einen genmodifizierten Schlaflosen war sechzehn ein ausreichendes Alter, um intelligente Entscheidungen zu treffen; Mirandas Entscheidungen würden stets superintelligent sein.
Jennifer und Will konnten warten. Sie würden keinen nötigen. Das war die Art und Weise, wie eine Gemeinschaft funktionierte. Nicht unter den Bettlern, aber hier, in Sanctuary, funktionierte sie so. Sie funktionierte durch das langsame Schaffen einer Übereinstimmung aller Mitglieder, jener Produktiver, die ein Recht auf ihre individuellen Standpunkte hatten, eben weil sie produktiv waren. Jennifer konnte abwarten, bis ihre Gemeinschaft sich zum Handeln durchrang.
Aber die Forschungseinrichtungen der Sharifi-Labors gehörten nicht der Gemeinschaft. Sie gehörten Jennifer, waren von ihrem privaten Geld angekauft und finanziert und nicht von den Mitteln von Sanctuary, Incorporated. Und was Jennifer gehörte, konnte augenblicklich mit der Arbeit beginnen. So würden die biologischen Waffen einsatzbereit sein, wenn die Gemeinschaft sie brauchte.
»Ich glaube«, sagte Najla, »daß wir diese Angelegenheit im Sinne der nächsten Generation diskutieren sollten. Wie wird unser Verhältnis zur Bundesregierung in zwanzig Jahren aussehen? Wenn wir alle Variablen in die sozialdynamischen Geary-Toller-Gleichungen eingeben…«
Ihre Tochter. Klug, produktiv, engagiert. Liebevoll lächelte Jennifer Najla über den Tisch hinweg zu. Sie würde ihre Tochter beschützen.
Und mit den Forschungen auf dem Gebiet der genmodifizierten Biowaffen beginnen.
Drew hatte zwei Probleme auf Leishas Landsitz in der Wüste: Eric Bevington-Watrous und das Essen.
Wie er es sah, wußte niemand außer ihm, daß das überhaupt Probleme waren. Andererseits fanden sie, er hätte allerlei Probleme, die Drew selbst wiederum in keiner Weise beunruhigten. Sie dachten, er würde sich den Kopf zerbrechen über ihre sonderbaren Sitten, die verwirrende Anzahl von Leuten, die man auseinanderhalten mußte, die Macher-Sprechweise, die er nie zuvor vernommen hatte, das Schlafbedürfnis, das nur wenige andere hier verspürten, und über die lange Zeit des Nichtstuns bis September, wenn sie ihn in die Macher-Schule verfrachten würden, für die sie bezahlten.
Nichts davon war ein Problem
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