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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Tränen. »Du wirst nie mehr gehen können, Drew. Alles andere an dir ist in Ordnung, aber du kannst nicht mehr gehen. Du wirst einen energiebetriebenen Rollstuhl bekommen, den besten, den wir kaufen oder konstruieren oder erfinden können, aber… du wirst nie mehr imstande sein, deine Beine zu gebrauchen.«
    Drew brachte kein Wort hervor. Das war alles zu gewaltig, er konnte es nicht aufnehmen. Doch dann konnte er es mit einemmal. Farben und Formen explodierten in seinem Hirn.
    »Soll das heißen, daß ich im September in keine Schule nich’ gehen kann?« brach es aus ihm hervor.
    Leisha sah ihn überrascht an. »Schätzchen, der September ist schon vorbei. Aber du kannst natürlich immer noch zur Schule gehen, wenn du möchtest, im nächsten Semester. Natürlich kannst du.« Sie sah über das Bett hinweg Jordan an, und auf ihrem Gesicht lag ein so gequälter Ausdruck, daß auch Drew hinsah.
    Jordan sah ausgebrannt aus. Drew kannte sich dabei aus; er wußte, was ausgebrannt hieß. Er kannte das Aussehen von Männern, deren gesetzwidrig auffrisierte Motorroller in Flammen aufgegangen waren und nicht viel von ihnen übrig gelassen hatten. Er kannte es von einer Frau, deren Baby im großen Fluß ertrunken war. Er hatte es wieder und wieder an seiner Ma festgestellt. Es war ein Anblick, den man sich nicht allzuviel zu Herzen nehmen sollte, denn sonst tat es so weh, daß man keinem mehr helfen konnte. Nicht einmal sich selbst. Und mit einem solchen Ausdruck sollten die Leute von irgendwo Beistand bekommen, hatte Drew immer angenommen, denn warum sollten sie sich damit abfinden müssen, daß er ihnen so das Gesicht zernagt?
    Er sagte: »Mister Watrous, Sir…« – er hatte das Wort erst vor kurzem gelernt, sie hörten es gern – »… es war nich’ Erics Schuld. Ich hab damit angefangen.«
    Jordans Gesicht veränderte sich. Anfangs verschwand der Ausdruck, aber dann kam er doch zurück, und dann verhärtete er sich zu etwas anderem, und dann kam er wieder, und zwar schlimmer als zuvor.
    »Wir wissen, daß das nicht wahr ist«, sagte Leisha. »Eric hat uns erzählt, was vorgefallen ist.«
    Drew überlegte; vielleicht stimmte es. Er konnte aus Eric nicht so recht klug werden, hatte er nie gekonnt. Und wenn es umgekehrt wäre, wenn Drew derjenige gewesen wäre, der daran schuld wäre, daß Eric nicht laufen konnte…
    Nicht laufen konnte.
    »Schätzchen, nicht«, sagte Leisha, und nun hatte sie auch diesen flehentlichen Tonfall in der Stimme. »Ich weiß, es hört sich schrecklich an, aber es ist nicht das Ende der Welt. Du kannst trotzdem zur Schule gehen und etwas aus dir machen, wie du sagst… Sei tapfer, Drew. Ich weiß, daß du tapfer bist.«
    Allerdings. Er war ein tapferer Junge, das war er, alle hatten das gesagt, sogar in dem Drecksnest Montronce. Er war Drew Arien, dem einmal Sanctuary gehören würde! Und er würde nie, niemals so ausgebrannt aussehen wie Mister Watrous gerade eben jetzt.
    Er sagte zu Leisha: »Wird der Rollstuhl eins von den Dingern sein, die ‘ne Handbreit über’n Boden dahinflitzen un’ Treppen steigen?«
    »Er wird eins von den Dingern sein, die bis zum Mond fliegen, wenn du willst!«
    Drew lächelte. Er gab acht, daß das Lächeln dort blieb, wo es war. Er sah etwas vor sich, ganz klar hockte es da vor ihm wie eine große schimmernde Seifenblase, von der er nicht wußte, wieso er sie bis jetzt übersehen hatte. Sie war riesengroß und warm und strahlend hell, und er sah sie nicht nur, er spürte sie in jedem Knöchelchen seines Körpers. Mister Watrous sagte mit brüchiger Stimme: »Drew, nichts kann das wieder gutmachen, aber wir werden alles für dich tun, alles…«
    Und das würden sie auch. Das war die Seifenblase. Drew hatte keine Worte dafür gehabt – irgendwie hatte er nie Worte für irgendwas, bis jemand daherkam und sie ihm vorsagte –, aber das war die Seifenblase. Direkt vor ihm. Er brauchte nicht mehr den Botenjungen für die alte Dame zu spielen oder Manieren zu lernen, die sie ihm vorschreiben wollten – oder auch nur das echte Essen zu essen. Er würde einiges davon weiterhin tun, weil er manches davon lernen wollte und manches davon gern tat. Aber er mußte nicht mehr. Jetzt würden sie alles für ihn tun. Sie würden es müssen. Jetzt und für den Rest seines Lebens.
    Er hatte sie beim Wickel.
    »Weiß ich doch, daß ihr das tun werdet«, sagte er zu Jordan. Eine ganze Weile hielt ihn die Seifenblase gefangen, während Leisha und Jordan über seinen Kopf hinweg

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