Bettler 01 - Bettler in Spanien
Schlaf veranlaßte.
Leisha starrte das Glas an. Sie spürte es warm in ihrem Bauch kribbeln, gar nicht so unähnlich dem Gefühl, wenn sie und Richard miteinander schliefen. Da bemerkte sie Jennifers beobachtenden Blick und wurde rot.
Jennifer irritierte sie – aber nicht aus den naheliegenden Gründen, aus denen sie Richard und Tony und Jack irritierte: langes schwarzes Haar, ein hochgewachsener, schlanker Körper in Shorts und knappem Oberteil. Nein, es war etwas anderes: Jennifer lachte nicht. Leisha kannte keinen Schlaflosen, der nicht lachte und – wenn überhaupt – mit einer so bewußten Gelassenheit sprach. Hin und wieder ertappte Leisha sich dabei, wie sie im stillen Vermutungen darüber anstellte, was Jennifer Sharifi nicht sagte. Es war ein fremdartiges Gefühl einem anderen Schlaflosen gegenüber.
Tony sagte zu Carol: »Gib es mir.«
Carol reichte ihm das Glas. »Denk daran, nur ein kleiner Schluck.«
Tony hob das Glas zum Mund, hielt inne und blickte über den Rand des Glases hinweg grimmig von einem zum anderen. Dann trank er.
Carol nahm das Glas wieder an sich.
Alle beobachteten Tony. Innerhalb einer Minute lag er auf dem harten Gras; innerhalb von zwei Minuten schlossen sich seine Augen, und er schlief.
Es war ganz anders, als Eltern, Geschwistern oder Freunden beim Schlafen zuzusehen. Das hier war Tony! Sie wandten den Blick ab und vermieden es, einander in die Augen zu sehen. Leisha spürte, wie die Wärme zwischen ihren Beinen leicht obszön pochte und prickelte. Sie hütete sich, Jennifer anzusehen.
Als Leisha an der Reihe war, trank sie langsam und reichte Richard das Glas weiter. Ihr Kopf wurde schwer und fühlte sich an wie mit feuchten Lumpen ausgestopft. Die Bäume am Rand der Lichtung verloren ihre scharfen Konturen, und die Y-Lampe wirkte auch verschwommen. Ihr Lichtschein sah nicht mehr klar aus, sondern verwischt und fleckig; würde er sich verschmieren, wenn Leisha hineingriff? Und dann stürzte Finsternis über sie herein, packte ihr Hirn und trug es mit sich fort. Die Finsternis trug ihr Bewußtsein davon! »Papa!« versuchte sie zu schreien, um sich an ihn zu klammern, doch dann löschte die Finsternis alles aus.
Hinterher hatten alle Kopfschmerzen, und sich dann in dem schwachen Morgenlicht durch den Wald zurückzuschleppen, war eine einzige Tortur, verschlimmert noch durch ein sonderbares Gefühl der Scham. Sie vermieden es, einander zu berühren. Selbst Leisha und Richard hielten soviel Abstand wie nur möglich.
Jennifer war die einzige, die sprach. »Also jetzt wissen wir es«, stellte sie fest, und aus ihrer Stimme klang eine seltsame Genugtuung.
Es dauerte einen ganzen Tag, bis das Hämmern im Hinterkopf aufhörte und die Übelkeit verging. Während sie darauf wartete, daß dieser elende Zustand nachließ, saß Leisha allein in ihrem Zimmer; trotz der Hitze zitterte sie.
Und sie hatte nicht einmal einen Traum gehabt.
»Komm doch heute abend mit«, sagte Leisha nun schon zum zehnten oder zwölften Mal. »Übermorgen heißt es schon ab ins College, das ist wirklich die letzte Möglichkeit, daß du Richard kennenlernst.«
Alice lag auf dem Bauch quer über das Bett gestreckt. Das Haar fiel ihr braun und stumpf in die Stirn. Sie trug einen teuren gelben Freizeitanzug, ein Seidenmodell von Ann Patterson, dessen Hosenbeine sich im Moment an den Knien zusammenschoben.
»Warum? Es kann dir doch egal sein, ob ich Richard kenne oder nicht.«
»Weil du meine Schwester bist, darum«, entgegnete Leisha und hütete sich, ›meine Zwillingsschwester‹ zu sagen; nichts brachte Alice rascher in Wut.
»Ich will aber nicht.« Doch schon im nächsten Moment war Alices Gesicht wie verwandelt. »Entschuldige, Leisha. Ich wollte wirklich nicht grob zu dir sein. Aber… ich will einfach nicht.«
»Es wird ja keiner von den anderen da sein. Nur Richard. Und du brauchst auch bloß ein Stündchen zu bleiben. Dann kannst du wieder nach Hause und fürs Northwestern packen.«
»Ich gehe nicht aufs Northwestern.«
Leisha starrte sie an.
»Ich bin schwanger«, sagte Alice.
Leisha setzte sich auf das Bett. Alice drehte sich auf den Rücken, schob sich die Haare aus den Augen und lachte. Leisha bemühte sich, die Ohren dagegen zu verschließen. »Wenn man dich ansieht«, sagte Alice lachend, »könnte man glauben, du wärst diejenige, die schwanger ist! Aber das könnte dir nie passieren, nicht wahr, Leisha? Nicht eher, als es dir in den Kram paßt. Nicht dir.«
»Wie gibt’s
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