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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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Dutcher seit einem Monat schwanger ist. Schlaflosigkeit ist genetisch dominant. Die nächste Generation der Gruppe wird auch nicht schlafen.«
    »Das wußten wir ja bereits«, sagte Leisha. Carla Dutcher war die erste schwangere Schlaflose der Welt. Ihr Ehemann war ein Schläfer. »Niemand hat etwas anderes erwartet.«
    »Aber die Presse wird trotzdem aus allen Rohren feuern. Paß nur auf: Mutanten vermehren sich! Neue Rasse entschlossen, in nächster Generation unsere Kinder zu dominieren!«
    Leisha versuchte gar nicht, es abzuschwächen. »Und das zweite?«
    »Etwas Trauriges, Leisha. Wir hatten gerade unseren ersten Todesfall.«
    Ihr Magen krampfte sich zusammen. »Wer?«
    »Bernie Kuhn. Aus Seattle.« Sie kannte ihn nicht. »Ein Verkehrsunfall. Sieht nicht nach Fremdverschulden aus. Er hat die Kontrolle über seinen Wagen verloren, als die Bremsen versagten. Er war siebzehn und noch ziemlich ungeübt. Von eigentlicher Bedeutung ist dabei aber der Umstand, daß Bernies Eltern seinen Körper und das Gehirn Biotech und der pathologischen Abteilung der Medizinischen Hochschule von Chicago überlassen haben. Man wird ihn zerlegen, weil man einen ersten tieferen Einblick in die Auswirkungen anhaltender Schlaflosigkeit auf Körper und Gehirn gewinnen will.«
    »Finde ich richtig«, sagte Leisha. »Der arme Junge. Aber was macht dir denn Angst dabei?«
    »Ich weiß nicht. Ich bin kein Arzt. Aber wenn man irgend etwas findet, das die ewigen Hasser gegen uns benutzen können, dann werden sie es auch tun.«
    »Du bist schon paranoid, Tony.«
    »Irrtum. Schlaflose sind von der Persönlichkeitsstruktur her ausgeglichener und realitätsorientierter als die Norm. Liest du denn keine einschlägige Literatur?«
    »Tony…«
    »Angenommen, du gehst also diese Straße in Spanien entlang, und hundert Bettler wollen jeder einen Dollar von dir haben, und du sagst nein; sie haben natürlich nichts, was sie dir im Tausch dafür geben könnten, aber sie sind so stinksauer auf dich und das, was du hast, daß sie sich auf dich stürzen und dir dein Geld rauben und dann verprügeln sie dich noch in ihrem Neid und ihrer Hoffnungslosigkeit.«
    Leisha schwieg.
    »Willst du mir vielleicht sagen, daß das nicht aus dem Leben gegriffen ist? Daß so etwas nie vorkommt?«
    »Es kommt vor«, räumte Leisha ein. »Aber nicht sehr oft.«
    »Unsinn. Wirf einen Blick in die Geschichte der Menschheit. Wirf einen Blick in die Zeitungen. Aber der springende Punkt dabei ist: Was schuldest du den Bettlern? Was macht ein guter vertragsgläubiger Yagaiist mit Leuten, die nichts anzubieten haben und nur nehmen können?«
    »Du willst doch nicht…«
    »Was, Leisha? Sag es mir so neutral und objektiv, wie du kannst: Was schulden wir den habgierigen, unproduktiven Bedürftigen?«
    »Was ich vorhin schon sagte: Freundlichkeit. Mitgefühl.«
    »Auch wenn sie dir nichts dafür geben? Warum?«
    »Weil…« Sie verstummte.
    »Warum? Warum sollen gesetzestreue und produktive Menschenwesen jenen etwas schulden, die sich weder an die Gesetze halten noch etwas Nennenswertes produzieren? Welche philosophische, materielle oder spirituelle Begründung gibt es für die Annahme, daß wir ihnen irgend etwas schulden? Sei so ehrlich, wie du immer warst.«
    Leisha legte den Kopf auf die Knie. Die Frage tat sich vor ihr auf wie ein Abgrund, aber sie versuchte gar nicht, sich ihr zu entziehen. »Ich kann dir keine nennen. Ich weiß nur, daß es so ist.«
    »Warum?«
    Sie antwortete nicht.
    Nach einer Weile sagte Tony beinahe sanft: »Komm doch im Frühjahr herüber und schau dir unseren künftigen Zufluchtsort an.« Der intellektuelle Kampfgeist war aus seiner Stimme gewichen. »Dann werden die ersten Häuser schon im Bau sein.«
    »Nein«, sagte Leisha.
    »Ich würde mich aber sehr darüber freuen.«
    »Nein. Ein bewaffneter Rückzug ist kein Ausweg.«
    »Leisha, die Bettler werden immer lästiger, je reicher die Schlaflosen werden. Und damit meine ich nicht bloß das Geld.«
    »Tony…«, begann sie, wußte aber nicht weiter.
    »Geh nicht durch zu viele Straßen, nur mit der Erinnerung an Kenzo Yagai bewaffnet.«
     
    Im März, einem bitterkalten März, in dem der Wind nicht aufhörte, den Charles River hinabzupfeifen, kam Richard Keller nach Cambridge. Leisha hatte ihn seit drei Jahren nicht mehr gesehen. Er hatte ihr sein Kommen nicht über das Groupnet angekündigt, und als sie über den Gehweg zu ihrer Stadtwohnung eilte, den roten Wollschal gegen Schnee und Kälte bis an die

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