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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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»Freude, Leisha!« Ein Echo fuhr ihr durch den Sinn, aber sie bekam es nicht zu fassen, und es verhallte.
    Dann lachte sie auch – luftig und federleicht wie rosa Zuckerwatte im Sommer.
     
    »Komm nach Hause, Leisha. Er hat schon wieder einen Herzanfall gehabt.« Susan Mellings Stimme am Telefon klang müde.
    »Wie schlimm ist es?« fragte Leisha.
    »Die Ärzte können es noch nicht sagen. Zumindest behaupten sie das. Er möchte dich sehen. Kannst du von der Uni weg?«
    Es war Mai. Die Abschlußexamen standen vor der Tür. Die Korrekturfahnen für die Law Review waren überfällig. Richard hatte wieder zu arbeiten begonnen; er war Berater für Bostoner Fischer, die mit plötzlichen unerklärlichen Veränderungen in den Meeresströmungen zu kämpfen hatten, und schuftete zwanzig Stunden am Tag. »Ich komme«, sagte Leisha.
    In Chicago war es kälter als in Boston. Die Knospen an den Bäumen waren kaum halb offen. Auf dem Michigansee, dessen Anblick die riesigen Ostfenster des Hauses komplett ausfüllte, jagten die weißen Schaumkronen der Wellen feine Wolken von Sprühregen in die Luft. Leisha bemerkte, daß Susan im Haus wohnte; ihre Bürsten lagen auf Camdens Kommode, ihre Zeitschriften auf dem Tisch in der Eingangshalle.
    »Leisha«, sagte Camden.
    Er sah alt aus. Graue Haut, eingefallene Wangen, der bestürzte, ängstliche Blick von Menschen, die ihre volle Lebenskraft stets mit der gleichen Selbstverständlichkeit vorausgesetzt hatten wie die Luft, die sie atmeten – als Teil ihrer selbst. In einer Ecke des Zimmers saß auf einem zarten antiken Stuhl eine kleine, kräftige Frau mit braunen Stirnfransen.
    »Alice!«
    »Tag, Leisha.«
    »Alice! Ich habe so nach dir gesucht…« Nein, falsch. Leisha hatte zwar gesucht, aber nicht sehr eingehend. Das Wissen, daß Alice nicht gefunden werden wollte, hatte Leishas Eifer nicht gerade gefördert. »Wie geht es dir?«
    »Ganz gut«, sagte Alice. Sie wirkte zurückhaltend, sanftmütig – so ganz und gar nicht wie die wütende Alice in den nassen, kalten Bergen von Pennsylvania vor sechs Jahren. Mühsam drehte Camden sich im Bett herum. Er sah Leisha mit Augen an, deren strahlendes Blau noch nicht erloschen war.
    »Ich habe auch Alice gebeten zu kommen. Und Susan. Susan ist schon eine Weile hier. Ich werde bald sterben, Leisha.«
    Niemand widersprach. Auch Leisha, die wußte, wie sehr er Fakten respektierte, schwieg. Doch die Liebe zu ihm schmerzte sie in der Brust.
    »John Jaworski hat mein Testament. Keiner von euch kann etwas daran ändern. Aber ich möchte euch selbst sagen, was drinnen steht. In den letzten paar Jahren habe ich einen Großteil meiner Firmen und Beteiligungen abgestoßen und zu Bargeld gemacht, so daß jetzt das meiste frei verfügbar ist. Davon habe ich ein Zehntel Alice vermacht, ein Zehntel Susan, ein Zehntel Elizabeth und den Rest dir, Leisha, weil du die einzige bist, die die individuellen Voraussetzungen mitbringt, um unter Ausschöpfung dieser finanziellen Möglichkeiten Hervorragendes zu leisten.«
    Verstört sah Leisha hinüber zu Alice, die den Blick mit ihrer neuen gelassenen Unnahbarkeit erwiderte. »Elizabeth? Meine… Mutter? Sie lebt noch?«
    »Ja«, flüsterte Camden.
    »Aber du sagtest mir doch, sie wäre tot! Vor Jahren schon!«
    »Ja. Ich hielt es damals für besser, wenn du das denkst. Sie wollte dich nie so haben, wie du nun einmal warst, und sie gönnte dir nicht, was aus dir werden konnte. Es gab nichts, was sie dir hätte geben können; sie hätte dich nur in emotionale Mitleidenschaft gezogen.«
    Die Bettler in Spanien…
    »Das war nicht richtig von dir, Papa. Das war nicht richtig. Sie ist doch meine Mutter…« Sie konnte nicht weitersprechen.
    Camden zuckte mit keiner Wimper. »O doch, es war richtig. Aber jetzt bist du erwachsen, und wenn du willst, kannst du sie jederzeit besuchen.«
    Er fuhr fort, sie mit diesen strahlenden Augen aus seinem eingefallenen Gesicht anzusehen, während die Luft rund um Leisha anschwoll wie ein Ballon und zerplatzte. Ihr Vater hatte sie belogen. Susan hatte den Blick auf sie gerichtet, ein fast unmerkliches Lächeln auf den Lippen. Freute sie sie mitzuerleben, wie Camden in der Wertschätzung seiner Tochter plötzlich absank? War sie die ganze Zeit über eifersüchtig auf Leisha gewesen, auf ihre enge Beziehung…?
    Sie dachte schon wie Tony.
    Diese Entdeckung brachte sie wieder ein wenig ins Gleichgewicht, aber sie konnte den Blick nicht von Camden abwenden, der unversöhnlich

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