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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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»Jennifer schadet uns. Uns allen. Sowohl Schläfern als auch Schlaflosen…«
    »Mir nicht. Mir schadet sie nicht. Du tust das, indem du die einzige Familie zerstörst, die manche von uns noch haben! Wir sind nicht alle solche Glückskinder wie du, Leisha!«
    »Ich…«, begann Leisha, aber Stella hatte die Verbindung bereits unterbrochen, und Leisha starrte auf den leeren Bildschirm.
     
    Adam Walcott stand in der Bibliothek von Leishas und Kevins Penthouse und ließ den Blick geistesabwesend über die Reihen von juristischen Werken gleiten, das gerahmte Hologramm von Kenzo Yagai, die Mondi-Rastell-Skulptur aus jungfräulichem Mondstein. Die Skulptur stellte eine androgyne menschliche Gestalt in erhabener Heldenpose dar, die Arme nach oben gestreckt, das Antlitz erhellt vom Intellekt. Leisha sah Walcott zu, wie er auf einem Fuß stand, sich mit der linken Hand durchs Haar fuhr, sich mit der rechten Hand durchs Haar fuhr, die schmalen Schultern schiefzog und den erhobenen Fuß schließlich wieder auf den Boden zurückstellte. Ein sonderbarer Vogel, es gab kein anderes Wort für ihn. Walcott war der sonderbarste Vogel, der Leisha in ihrer Praxis je untergekommen war. Sie wußte nicht einmal, ob er begriff, wozu er hergekommen war und was sie ihm erklären wollte.
    »Herr Doktor Walcott, Sie müssen verstehen, daß Sie das Patentverfahren durchaus weiterführen können, sowohl gegen Samplice als auch gegen Sanctuary, ungeachtet des Mordfalles Sharifi.« Ihre Stimme ging glatt über die Worte hinweg, denn manchmal, wenn sie gezwungenermaßen allein im Apartment war, übte sie ihren Klang, indem sie sie laut aussprach: der Mordfall Sharifi.
    »Aber Sie werden nicht mein Rechtsbeistand sein«, sagte er gereizt. »Sie lassen die ganze Sache einfach fallen.«
    Geduldig fing Leisha noch mal von vorne an. Er schien wirklich nicht zu verstehen. »Ich befinde mich bis zum Prozeßbeginn in Schutzhaft, Doktor Walcott. Ich habe ernstzunehmende Drohungen erhalten. Die Männer, an denen Sie in der Eingangshalle und im Fahrstuhl vorbeigekommen sind und die sich auf dem Dach befinden, sind nicht meine persönlichen Leibwachen, sondern Bundesvollzugsbeamte. Und ich bin nur deshalb in meiner Wohnung in Schutzhaft, weil die Sicherheitsvorkehrungen hier wirksamer sind als überall sonst. Als fast überall sonst. Aber das bringt mit sich, daß ich Ihren Patentrechtsfall nicht vor Gericht vertreten kann, und ich halte es nicht für ratsam, damit solange zuzuwarten, bis ich dazu wieder in der Lage bin. In Ihrem eigenen Interesse sollten Sie sich einen anderen Anwalt suchen, und dazu habe ich Ihnen eine Liste mit Vorschlägen gemacht.«
    Sie hielt ihm den Computerausdruck hin, doch Walcott machte keine Anstalten, danach zu greifen. Er stand jetzt auf dem anderen Fuß, und die zeitweilig vorhandene Kraft kehrte wieder einmal in seine Stimme zurück: »Es ist nicht fair!«
    »Es ist nicht…«
    »Fair! Daß ein Mensch an einer Revolutionierung auf dem Gebiet der Genetik arbeitet, sein Herzblut für eine miese, kleinliche Firma einsetzt, die nicht einmal dann ein Genie erkennt, wenn sie darüber stolpert… Man hat mir Hoffnungen gemacht, Miss Camden! Man hat mir Dinge in Aussicht gestellt!«
    Ohne es eigentlich zu wollen hörte sie ihm fasziniert zu. Irgendwie wirkte der glühende Eifer des kleinen Mannes auf sie furchterregend. »Welche Dinge, Doktor Walcott?«
    »Anerkennung! Ruhm! Die Aufmerksamkeit, die ich verdiene und die heutzutage niemandem außer den Schlaflosen zuteil wird!« Er breitete die Arme weit aus, stellte sich auf die Zehenspitzen und erhob die Stimme zu einem Kreischen: »Es war ein Versprechen!«
    Mit einemmal schien er sich gewahr zu werden, daß Leisha ihn beobachtete. Er ließ die Arme fallen und lächelte ihr zu – ein Lächeln von solch offensichtlicher, widerwärtiger Unaufrichtigkeit, daß Leisha ein Prickeln über den Nacken lief. Sie fand es nur schwer vorstellbar, daß Direktor Lee von Samplice, ein Mann, zu egozentrisch und unsicher, um die Träume anderer wahrzunehmen, je Versprechungen dieser Art gemacht haben sollte. Irgend etwas stimmte da nicht. »Wer hat ihnen diese Dinge versprochen, Doktor Walcott?«
    »Nun ja«, meinte er überheblich und vermied es, ihr in die Augen zu sehen, »Sie wissen, wie das ist. Man hat Jugendträume. Das Leben macht einem Hoffnungen. Und dann lösen sich die Hoffnungen in nichts auf.«
    Herzloser als vorgehabt sagte Leisha: »Das passiert jedem von uns, Doktor Walcott. Und

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