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Bettler 01 - Bettler in Spanien

Titel: Bettler 01 - Bettler in Spanien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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für persönliche Gespräche. Leisha erstarrte. Die Demonstranten, die Wir schlafen! -Fanatiker, Sanctuary auch… es gab so viele Feinde für jemanden wie Kevin, selbst wenn man von seiner Beziehung zu ihr, Leisha, absah… Sie rannte in die Bibliothek.
    Aber es war Kevin selbst, der anrief.
    »Leisha, hör zu, Liebes, tut mir leid, daß ich dich nicht eher angerufen habe. Ich wollte es tun, aber…« Seine Stimme verlor sich in einem Stammeln, das Kevin so gar nicht ähnlich sah. Auf dem Bildschirm war zu sehen, daß sein Unterkiefer ganz leicht herabhing. Er blickte auf einen Punkt links von ihr. »Leisha, ich komme heute nicht nach Hause. Wir sind mitten in wichtigen Verhandlungen – der Stieglitz-Vertrag, du weißt schon –, und ich muß ohne Unterbrechung zur Verfügung stehen. Möglicherweise muß ich kurzfristig nach Argentinien fliegen, um mit den politischen Verästelungen bei ihrer Tochtergesellschaft in Bahia Bianca klarzukommen. Wenn ich mich da jedesmal bei Betreten und Verlassen der Wohnung mit diesen Verrückten vor dem Gebäude herumschlagen muß und die Flugrouten vom Dach weg blockiert sind… Ich kann das nicht riskieren.« Nach einer Sekunde fügte er hinzu: »Es tut mir leid.«
    Sie sagte nichts.
    »Ich bleibe hier im Büro. Vielleicht, wenn das alles vorbei ist… Zum Teufel, kein ›vielleicht‹ – wenn der Stieglitz-Vertrag unter Dach und Fach und der Prozeß vorbei ist, komme ich nach Hause.«
    »Natürlich, Kev«, sagte Leisha. »Klar.«
    »Ich wußte, du würdest das verstehen, Liebes.«
    »Ja«, flüsterte sie. »Das tu ich. Ich verstehe dich.«
    »Leisha…«
    »Adieu, Kevin.«
    Sie ging von der Bibliothek aus in die Küche, richtete sich ein Sandwich und fragte sich, ob er noch mal anrufen würde. Er rief nicht an. Sie warf das Sandwich in den Reißwolf für organischen Abfall und ging zurück in die Bibliothek. Das Holo von Kenzo Yagai hatte sich inzwischen geändert. Jetzt beugte er sich über den Prototyp des Y-Energiekegels, die dunklen Augen ernst und klug, die Ärmel seines Jahrhundertwende-Labormantels über die Ellbogen hochgeschoben.
    Leisha setzte sich auf einen hölzernen Stuhl und legte die Stirn auf die Knie. Doch diese Stellung brachte ihre Gedanken auf Richard, der zusammengesackt in seinem Zimmer vor sich hin brütete, und diese Gedanken ertrug sie nicht. Also trat sie zum Fenster, machte die Scheiben transparent und betrachtete die Straße aus der Höhe des achtzehnten Stockwerks, bis plötzlich verstärkte Bewegung in die Masse der fernen, winzigkleinen Demonstranten kam, was darauf schließen ließ, daß irgend jemand mit einem Teleobjektiv sie am Fenster erblickt hatte. Also entschied sie sich wieder für matte Scheiben, kehrte zu ihrem harten Stuhl zurück und saß lange Zeit reglos da.
    Hinterher konnte sie sich nicht erinnern, wie lange sie so dagesessen hatte; doch sie erinnerte sich an etwas, das Jahrzehnte zurücklag. Als sie und Stewart Sutter noch in Harvard studierten, hatten sie zusammen einen Spaziergang den Charles River entlang unternommen und waren lachend geradewegs in den kalten, schneidenden Wind gerannt. Stewarts Wangen hatten sich rot gefärbt wie Äpfel. Ungeachtet des Windes hatten sie am Flußufer gesessen und sich geküßt, bis ein fast nackter Selbstverstümmler über das verdorrte Gras auf sie zugetaumelt war. Die verstiegene religiöse Sekte der Selbstverstümmler rief damals allgemein Abscheu hervor, weil ihre Mitglieder ihren Körper verstümmelten, um die Welt an das Martyrium in Ländern zu gemahnen, die unter irgendeiner Form von Gewaltherrschaft litten, und dann bettelten, um mit Geldspenden dieses weltweit vorhandene Martyrium zu lindern. Dieser Mann, der da auf Stewart und Leisha zustolperte, hatte drei Finger und die Hälfte seines linken Fußes amputiert. Auf der entstellten Hand des Mahners war das Wort ›Ägypten‹ eintätowiert, auf seinem nackten bläulichen Fuß ›Mongolei‹, und auf seinem gräßlichen Narbengesicht ›Chile‹.
    Er streckte Leisha und Stewart seinen hölzernen Bettelnapf hin, und Leisha, erfüllt mit dem unausweichlichen verschämten inneren Widerspruch, hatte eine Hundertdollarnote hineinfallen lassen. »Hälfte für Chile, Hälfte für die Mongolei. Alles für das Leid«, hatte er mühsam gekrächzt; auch die Stimmbänder hatte er als Mahnung geopfert. Doch der Blick, mit dem er Leisha bedachte, war so kristallklar, so erfüllt von schierer Freude, daß sie unfähig war, ihm zu begegnen. Sie hatte

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