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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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tun sollte. Aber auch wenn ich’s gewußt hätte, hätt’ ich nichts machen können; die Ratte nagte viel zu heftig in meiner Brust, un’ nich’ mal für Lizzie hätt’ ich meinen alten Hintern vom Boden hochgekriegt.
    »Bitte…!« wisperte die Frau Doktor.
    Un’ das Tor im Berg ging auf. Nein – es ging nich’ auf, so kann man das nich’ sagen. Es gab plötzlich so ‘nen kalten Schimmer, ‘ne Art Schild, un’ dann verschwand die Erde irgendwie – der Matsch un’ die dürren Eichenblätter un’ die moosbewachsenen Felsen un’ alles –, un’ dann lag ‘n festes Viereck aus PlastiKlar zu unseren Füßen, bloß war’s kein PlastiKlar. Das Viereck war etwa ein Meter mal ein Meter groß, un’ dann verschwand es auch un’ wurde zu ‘ner Treppe.
    Doktor Turner ging voran, drehte sich um un’ streckte die Arme hoch. Annie reichte ihr Lizzie runter un’ stieg vorsichtig hinterher. Ich, ich ging als Letzter. Obwohl mir die Brust so wehtat, daß ich alle Engel singen hörte, wollte ich wissen, was weiter passieren würde, wenn wir erst mal alle unter dem Viereck waren. War vielleicht das Letzte, was ich im Leben sah, un’ ich wollte es sehen.
    Was passierte, war, daß der Schimmer wiederkam, un’ das PlastiKlar-Viereck, wo nich’ aus PlastiKlar war, tauchte wieder über meinem Kopf auf. Griff nach oben, ich, un’ rührte dran. War hart wie Diamant. Un’ kitzelte am Finger. Auf der anderen Seite fingen die Steine un’ das Erdreich wieder an zu wachsen – zu wachsen! –, un’ das Erdreich war nich’ locker, sondern fest un’ zusammengeschoben. Man konnte sehen, daß in ‘n paar Minuten nichts mehr verraten würde, daß hier irgendwas gewesen war. Bloß unsere Fußspuren würden im Matsch sein; aber gewettet hätte ich auch da nich’ drauf.
    Wir standen in ‘nem kleinen Raum, ganz weiß un’ hell erleuchtet. War gar nichts drinnen, in dem Raum. Die Wände waren vollkommen glatt, nich’ der geringste Kratzer oder sonstwas drauf. Solche Wände hatte ich mein Lebtag noch nie gesehen. Wir standen lange da drin, so kam’s mir wenigstens vor, aber vermutlich war’s gar nich’ so lang. Schlang mir die Arme fest um die Brust, ich, damit sich der Schmerz nich’ durchnagen konnte. Die Frau Doktor drehte sich zu mir rum un’ machte plötzlich ‘n komisches Gesicht. »Billy, was…?« Un’ dann ging ‘ne Tür auf, wo gar keine Tür nich’ gewesen war, un’ da stand sie, mein großköpfiges Mädel mit den schwarzen Haaren; sie lächelte nich’, die Kleine, das konnte ich grade noch sehen, ehe die Ratte in meiner Brust nach meinem Herzen schnappte un’ mir schwarz wurde vor den Augen.

 
    15
    Diana Covington:
    East Oleanta
     
    Meine ruhige Gelassenheit, mein klarer Verstand waren mir bereits völlig abhanden gekommen, als sich das Tor zu Eden öffnete.
    Das störte mich. Ich stand mit einem sterbenden Kind und einem alten Mann, den ich – gegen jede Wahrscheinlichkeit – liebgewonnen hatte, auf der Schwelle jenes HighTech-Sanktums, nach dem die ganze Staatsmacht hinter mir, Gott weiß wie lange schon auf der Suche war, stand der mächtigsten Frau der ganzen Welt gegenüber, und es störte mich zutiefst, daß es mein irrationales Unterklassengebrüll gewesen war, welches das Himmelstor weit geöffnet hatte. Nur stimmte das selbstverständlich nicht. Ich wußte, daß es nicht stimmte. So viele Abweichungen von der mittleren Rationalitätskurve hatte ich mir gar nicht geleistet. Aber das Gefühl wollte nicht vergehen, weil nichts normal war, und wenn nichts normal ist, dann erscheint plötzlich nichts stärker abnormal als irgend etwas beliebig anderes. Die Meßskala bricht zusammen. Miranda Sharifi hatte diese Wirkung.
    Aus allernächster Nähe sah sie noch unauffälliger aus als damals in Washington. Großer, leicht unförmiger Kopf, wilde Wolken schwarzen Haares, der Körper zu gedrungen und zu schwerfällig, um auf eine Macherin schließen zu lassen – und doch ohne jeden Zweifel keine Nutzerin. Sie trug weiße Hosen und weiße Bluse, ganz alltäglich. Ihr Gesicht war blaß. Der einzige Farbfleck an ihr war das rote Haarband. Ich erinnerte mich wieder, was ich damals auf den Stufen des Wissenschaftsgerichts gedacht hatte – daß sie nämlich zu alt war für Haarbänder –, und schämte mich ein wenig. Es fiel mir schwer, meinen Verstand auf ernste Themen zu konzentrieren; wir hatten zu viele davon. Vielleicht war es aber auch nur dem Wesen meines Verstandes zuzuschreiben.
    Mir wollte

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