Bettler 02 - Bettler und Sucher
verschwommen, is’ ja lange her, aber es geht mir immer noch im Kopf rum. Is’ aus der Zeit vor den Machern un’ den Nutzern. Vor den Cafeterias un’ den Lagerhäusern. Bevor die Politiker uns Steuern zahlten, statt umgekehrt. Is’ aus ‘ner Zeit, als noch Schlaflose gemacht wurden un’ man in den Zeitungen über sie lesen konnte. Als es noch Zeitungen gab. Es war ‘n Wort, das mit GenMod zusammenhing, aber es bedeutete was, was eben nich’ GenMod war. Sondern ‘ne natürliche Sache. Lizzie, die lernt in der Schule, daß die Macher minderwertig sind. Erst durch die GenMods bringt man sie soweit, daß sie die Arbeit erledigen können, die nötig is’, damit alles herbeigeschafft wird, was wir Nutzer brauchen. Aber dieses Wort hatte nichts mit dem Natürlichen zu tun, was uns Nutzer zu was Besserem macht als die Macher. War ‘ne andere Art von natürlich, ‘ne Art, die von ganz allein vorkommt, die einem aber zu was anderm macht als die übrigen Nutzer rundum. Das Wort erklärte, warum Lizzie so viele Macher-Fragen stellt, wo sie doch keine Macherin nich’ is’ und keine Macher-GenMods hat, obwohl das Wort in ihren Genen drinnensitzt. Wie kann das sein? Na, ich sagte ja, die Sache mit dem Wort, die is’ schon ‘n bißchen verschwommen. Aber ich erinnere mich daran.
Das Wort war Mutation.
Ich sah Lizzie an, die ihre Mutter ansah, wie die den Apfelkuchen in die Boxen aufm Transportband tat. Der Kuchen wanderte unter den Blitzofen un’ durch die Wand hinaus in die Cafeteria. Irgendwer würde sich mit seinem Senator-Mark-Todd-Ingall-Essenchip was nehmen davon. Annie schickte sich an, was Neues zu kochen. Lizzie saß aufm Boden, zusammen mit den Trümmern des kaputten SchälerRobs. Immer wenn ihre Mutter nich’ hinsah, starrte sie auf die Teile un’ überlegte, wie sie wohl zusammengehörten. Un’ wenn sie mich ansah und grinste, dann funkelten un’ blitzten ihre schwarzen Augen wie die Sterne am Himmel.
An dem Abend hatten wir ‘ne Versammlung in der Cafeteria. Wollten über die tollwütigen Waschbären reden. Vierzig Leute, ohne die Kinder. Paulie Cenverno hatte schon eins von den Viechern gesehen, drüben, überm Fluß, am andern Ende der Stadt, bei der Senator-James-Richard-Langton-Rollerbahn. Paulie sagte, es hatte Schaum vorm Maul un’ seine Hinterbeine zuckten wie verrückt, sagte Paulie. Irgendwer meinte, wir sollten die Stühle im Kreis aufstellen, um ‘ne richtige Versammlung zu machen, aber keinen kümmerte so was. Auf der andern Seite der Cafeteria lief das Holoterminal, un’ die Tanzmusik dröhnte. Keiner tanzte, bloß die Holos, lebensgroße lachende Puppen aus Licht, so hübsch, wie’s bloß Macher sein können. Ich mag sie nich’, ne, ich nich’. Haben mir nie gefallen. Man kann durch sie hindurchsehen, am Rand.
»He, macht die Musik leiser, man versteht ja sein eigenes Wort nich’!« brüllte Paulie. Aber die Typen an den Tischen beim Fließband rührten sich nich’ mal. Waren wohl alle bis an die Augen voll mit Sonnenschein. Paulie marschierte rüber un’ drehte den Krach leiser.
»Also«, sagte Jack Sawicki, »was wollen wir jetz’ unternehmen wegen der kranken Waschbären?«
Nur ‘n paar Leute kicherten, un’ die waren von der dümmsten Sorte. Wie Annie immer sagt, irgendwer muß amtieren, wenn ‘ne Versammlung beisammensitzt, auch wenn Amtieren Macher-Arbeit is’. Jack is’ nun mal Bürgermeister, das is’ er. Kann er gar nich’ dagegen an. East Oleanta is’ nich’ groß genug für ‘n richtigen Macher-Bürgermeister – hier bei uns, da leben keine Macher, un’ so soll’s auch bleiben. Also haben wir Jack gewählt, un’ er erledigt alles, was zu tun is’.
»Ruf Verwaltungsbezirksrat Drinkwater übers offizielle Terminal an!« schlug wer vor.
»He, ja, ruf Pißwater an!«
»Aber Distriktsleiter Samuelson hat die Lizenz für die Waldaufsicht!«
»Dann ruf Samuelson an!«
»He, und wenn du ihn schon dranhast, dann mach ihm noch mal Feuer unterm Arsch, weil das Lagerhaus, das verdammte, bloß noch einmal die Woche was ausgibt!« Das war Celia Kane. Noch nie hab ich gesehen, daß die nich’ fuchsteufelswild gewesen wäre.
»Ja! In Rutger’s Corners, dort wird immer noch zweimal die Woche ausgegeben!«
»Konnte nich’ mal die Kluft wechseln, mußte zwei Tage lang denselben Overall anhaben!«
»Wie ich krank war, konnte ich nich’ zur Ausgabe, un’ da ging uns das Klopapier aus!«
Bei der nächsten Wahl wird Distriktsleiter Aaron Simon
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