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Bettler 02 - Bettler und Sucher

Titel: Bettler 02 - Bettler und Sucher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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gebauten Mauern von Huevos Verdes.
    »Es lebt!« stellte ich dümmlich fest.
    Jon lächelte. »O ja. Aber es hat keine Gefühle. Zumindest nicht…« Er verstummte, und ich wußte, er konnte nicht die richtigen Worte finden. Das hätte uns eigentlich verbinden sollen, tat es aber nicht. Jon fand nicht die rechten Worte, weil jedes Wort, das er verwenden hätte können, zu simpel, zu unvollständig für seine Ideen sein mußte – und immer noch zu schwierig für mich. Miri hatte mir erzählt, daß Jon mit Ausnahme von Terry Mwakambe derjenige war, dessen Denkprozesse mathematischer abliefen als die aller anderen. Aber auch die anderen dachten mathematisch, selbst Miri; ihre Sprechweise war einen Vierteltakt zu langsam. Ich hatte mich erst vor einem Monat selbst dabei ertappt, daß ich so sprach. Zu Kevin Bakers vierjährigem Urenkel.
    Miri machte einen Versuch. »Das Gewebe ist ein organischer Computer auf Mikroebene, Drew, mit begrenzter organsimulierender Programmierung, einschließlich der Nerven-, kardiovaskulären und gastrointestinalen Systeme. Wir haben Strethers selbstregulierende Feedback-Schiingen und submolekulare selbstreproduzierende Nano-Monteure hinzugefügt. Es kann… es kann programmierte biologische Vorgänge erkennen und darüber detailliert berichten. Aber es hat keine Gefühle und keinen eigenen Willen.«
    »Aha«, sagte ich.
    Das Ding bewegte sich ein wenig in seiner Schale. Ich wandte mich ab. Miri sah es natürlich. Sie sieht alles.
    »Wir kommen der Sache schon näher«, sagte sie mit ruhiger Stimme. »Das ist es, kurz gesagt. Seit dem Durchbruch mit dem Bakteriorhodopsin kommen wir der Sache schon weitaus näher.«
    Ich zwang mich, das Ding noch mal anzusehen. Unter der Oberfläche waren schwach pulsierende Kapillargefäße zu erkennen. Die bleichen, feuchten Formen in meinem Kopf krochen wie Maden über Steine.
    »Wenn wir eine Nährlösung in die Schale gießen, Drew«, fuhr Miri fort, »dann kann es davon wählen und absorbieren, was es braucht, um es in Energie umzuwandeln.«
    »Was für eine Nährlösung?« Bei meinem letzten Besuch hatte ich genug mitbekommen, um diese Frage stellen zu können.
    Miri verzog das Gesicht. »In erster Linie Glukoseprotein. Aber da haben wir noch einen weiten Weg.«
    »Habt ihr schon das Problem gelöst, wie man Stickstoff direkt aus der Luft entnehmen kann?« Die Frage hatte ich auswendig gelernt. Sie nahm in meinem Kopf eine hohle, blecherne Gestalt an.
    Aber Miri lächelte ihr strahlendes Lächeln. »Ja und nein. Wir haben bei den Mikroorganismen zwar mit einigen Tricks gearbeitet, aber die Aufnahmefähigkeit des Gewebes bewegt sich immer noch um den Tollers-Hilbert-Faktor, besonders in den Fibrillen der Zellwände. Und bei dem Problem mit der von der Stickstoffaufnahme verursachten Endozytose – auch kein Fortschritt.«
    »Aha.«
    »Wir werden es schaffen«, sagte Miri um einen Vierteltakt zu langsam. »Es hängt eben alles davon ab, die richtigen Enzyme zu entwerfen.«
    »Wir nennen das Ding Galwat«, sagte Sara. Sie und Jon lachten.
    »Es kommt von Galatee, weißt du«, beeilte Miri sich zu erklären. »Und von Erin Galway. Und von John Galt, dieser fiktiven Gestalt, die den Motor der Welt abstellen wollte. Und natürlich von Worthingtons Transferenzgleichungen…«
    »Natürlich«, sagte ich. Ich hatte weder von Galatee noch von Erin Galway oder John Galt oder Worthington je gehört.
    »Galatee ist eine Figur aus der griechischen Mythologie. Ein Bildhauer…«
    »Laß mich jetzt mal die Auftrittsstatistiken sehen«, sagte ich. Sara und Jon warfen einander einen Blick zu. Ich lächelte und streckte Miri die Hand entgegen. Sie drückte sie fest, und ich spürte, wie die ihre zitterte.
    (Papierdünne Formen flatterten durch meinen Kopf. Ein Dutzend Molekülschichten dick. Sie ließen sich auf einem Stein nieder, so rauh und hart und alt wie die Erde. Das Flattern wurde immer rascher, das feine, leichte Papier begann rot zu glühen, und der Stein barst. In seinem Innern befand sich ein milchweißes Herz, unter dessen Oberfläche dünne Adern schwach pulsierten.)
    Miri sagte: »Möchtest du nicht sehen, wie weit Nikos und Allen mit ihrer Arbeit an dem Zellreiniger sind? Sie kommen damit viel schneller voran als wir hier. Und Christy und Toshio konnten einen echten Durchbruch bei der automatischen Fehlerkorrektur der Proteinsynthese-Programmierung verzeichnen…«
    »Ich möchte jetzt gern die Auftrittsstatistiken sehen«, sagte ich.
    Sie nickte –

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