Bettler 03 - Bettlers Ritt
sein!
»Peranla, ich komme mit euch zu Josh.«
Die Dreiergruppe blieb reglos stehen. Fast sah es so aus, als hätte sie sogar aufgehört zu atmen. Und was würde sein, wenn die drei nun einen krampfartigen Anfall von Panik bekämen, so wie es Theresa passierte, wenn sie sich zu sehr fürchtete? Was würde Theresa dann tun? Aber ihre Sorge war unnötig. Nach einer Minute druckste sich das Knäuel an ihr vorbei, um nach ein paar Metern in einen unbeholfenen Laufschritt zu verfallen und um die Ecke des ausgedienten Fabriksgebäudes zu verschwinden. Theresa rannte hinter ihnen her.
»Macht auf! Wir sind’s, Peranla! Macht auf!«
Die Tür öffnete sich, und Peranla stürzten ins Gebäude. Verblüfft über sich selbst quetschte Theresa sich hinterdrein.
Ihre Augen brauchten eine Minute, um sich an das Halbdunkel zu gewöhnen. Über hundert Menschen, alle in Gruppen von drei Personen, starrten sie an. Die Gruppen drängten sich dichter aneinander und sahen beunruhigt aus, aber niemand wirkte verängstigt. Selbst Peranla sahen hier drin weniger furchtsam aus als draußen im Freien. Natürlich. Wenn Theresa zu Hause war, zusammen mit vertrauten Menschen unter vertrauten Dingen, dann fühlte sie sich auch weniger ängstlich. Sicherer.
Ihr Herzschlag beschleunigte sich, und es wurde ihr eng in der Kehle. »Ist… Josh hier? Josh?«
»Wär besser, Sie würden jetz’ gehen, Sie!« sagte ein alter Mann, und ein paar Leute nickten dazu.
»Josh? Jomp?«
Er kam langsam vor, Patty und Mike an der Hand hinter sich herziehend. Mike hatte einen leicht finsteren Gesichtsausdruck aufgesetzt, Patty hingegen, die Theresa als bissiges Luder in Erinnerung hatte, zitterte und bebte und versteckte das Gesicht an Mikes Schulter. Das hatte eine glättende Wirkung auf Theresas stockenden Atem.
Vielleicht war es beinahe gleichbedeutend, ob man die am wenigsten ängstliche Person in einer Gruppe war oder sich überhaupt nicht ängstigte? »Josh, ich bin Theresa Aranow. Ich war im letzten Herbst hier und brachte euch Kleider und Y-Kegel. Sie haben mir von den… Bindungen hier erzählt und von den roten Spritzen.«
Josh nickte, ohne ihr in die Augen zu sehen.
»Und das Holo, Josh. Sie zeigten mir ein Holo von Miranda Sharifi. Sie erklärte darin die neuen Spritzen, die sie für euch bestimmt hatte und die die Bindungen verursachten.«
»Geht Sie gar nichts an«, knurrte Mike.
»Ich möchte das Holo noch einmal sehen, Josh. Bitte. Ihr habt es alle schon oft gesehen, nicht wahr?«
Josh nickte wieder. Patty hob das Gesicht von Mikes Schulter und sah auf.
»Nun«, fuhr Theresa mit aller Bestimmtheit fort, die sie aufbringen konnte, »dann könntet ihr es euch doch wiederum ansehen. Genau so wie immer. Und ich sehe auch zu.«
»Okay«, sagte Josh. »He, ihr alle! Zeit für Miranda! Wir sin’ das Leben un’ das Blut, wir alle!«
»Wir sin’ das Leben un’ das Blut«, wiederholte ein holpriger Chor, und Theresa spürte die Erleichterung, die durch die Menge lief wie eine Woge aus klarem Wasser. Das war etwas Wohlbekanntes: tröstliche, beruhigende Sicherheit. Die Dreiergruppen setzten sich unbeholfen in Bewegung und ließen sich vor einer alten Holobühne nieder – auf den identischen Plätzen, hätte Theresa gewettet, auf denen sie immer saßen. Sie setzte sich zu Josh, direkt neben der Tür.
»Holo an!« sagte Mike. »Zeit für Miranda.«
Die Holobühne erwachte zu Leben. Ein hübscher, bedeutungsloser Farbwirbel, und dann erschien Miranda – nur Kopf und Schultern vor dem Hintergrund einer dunklen Aufnahmekabine, die die Anonymität der Umgebung wahren sollte. Miranda trug eine ärmellose weiße Bluse; ein rotes Band hielt ihr wirres schwarzes Haar zusammen.
»Ich bin Miranda Sharifi und ich spreche zu euch von der Mondbasis Selene. Ihr werdet sicher wissen wollen, wozu diese neue Spritze dienen soll. Sie ist ein wunderbares Geschenk, speziell für euch gemacht. Ein Geschenk, das noch großartiger ist als die Umstellungs- Spritzen, die euch zwar biologisch unabhängig machten, doch auch in die menschliche Isolation führten, weil ihr nicht mehr aufeinander angewiesen wart für die Nahrungsbeschaffung und das Überleben im allgemeinen. Es ist jedoch nicht gut, daß der Mensch allein sei. Also wird euch diese Spritze, diese verheißungsvolle Gabe…«
Etwas stimmte nicht mit dem Holo.
Seit ihrem ersten Besuch in diesem Lager vor fünf Monaten hatte Theresa Wochen, ja Monate damit verbracht, Holos anzusehen, bis sie nachts
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