Bettler 03 - Bettlers Ritt
blinzelte sie in den hellen, warmen Sonnenschein. Ihr Herz schlug schneller, und der Atem blieb ihr in der Kehle stecken. Als sie sich zum letztenmal aus der Enklave gewagt hatte, war ihr schwarz vor den Augen geworden, die Panikattacke war so schlimm gewesen – Anfall um Anfall um Anfall…
Aber Cazie war auf dem Weg hierher. Wenn Theresa nicht vorher verschwand, würde sie Cazie konfrontieren müssen.
Sie schloß die Augen, beugte sich hinab, bis ihre Stirn die Knie berührte, und holte tief Atem. Nach einigen Sekunden ließ die Panik nach. Oder vielleicht auch nicht, vielleicht schien es nur so, weil die Aussicht, einem Lager voller wilder, miteinander für immer verbundener Nutzer gegenüberzutreten, weniger furchteinflößend war als die Aussicht, einer zornbebenden Cazie Sanders gegenüberzutreten.
Vielleicht war das die Art und Weise, wie die Menschen sich dazu brachten, sich gefährlichen Dingen zu stellen: indem sie vor noch gefährlicheren Dingen davonrannten.
Leise wimmernd ging Theresa im hellen Sonnenschein durch den Dachgarten zu den abgestellten Luftwagen. Sie kletterte in den ihren und holte aus seinen Aufzeichnungen die genauen Koordinaten des Lagers der biochemisch miteinander verbundenen Nutzer, während sie sich bemühte, gleichmäßig und tief zu atmen und sich der Chemie ihres eigenen Hirns nicht geschlagen zu geben.
Die Nutzer hatten ihr Lager nicht verlegt. Theresa hatte gefürchtet, sie könnten weitergezogen sein – das machten die Nutzer andauernd –, aber aus der Luft sah sie schon die kleinen menschlichen Gestalten, die sich in Dreiergruppen fortbewegten. Wie weit konnten sich die drei Mitglieder einer Gruppe jeweils voneinander entfernen, bevor sie starben? Theresa konnte sich der genauen Distanz nicht entsinnen.
Sie landete, bemühte sich, tief und gleichmäßig zu atmen, aber diesmal rannte niemand auf den Wagen zu, sondern alle Dreiergruppen verschwanden augenblicklich im Gebäude, und die Tür wurde verschlossen.
Theresa zwang sich auszusteigen, zum Gebäude hinüberzugehen und es dann zu umrunden. Unter der Plastikplane des Nährplatzes saßen drei nackte Personen, die den Luftwagen nicht bemerkt hatten: zwei Frauen und ein Mann. Als sie Theresa erblickten, erstarrten ihre Gesichter, und Theresa sah jenen Ausdruck, den sie normalerweise nur im Spiegel sah.
Sie fürchteten sich. Vor ihr. Wie Lizzies Baby sich gefürchtet hatte. Dieses Lager war ebenso infiziert wie das von Lizzie!
»Hallo! Ist Josh hier?« Josh, das war der Mann, der freundlich zu ihr gewesen war.
Die drei standen auf, schmiegten sich aneinander und hielten sich an den Händen. Als ein nacktes Knäuel aus Gliedmaßen und Körpern bewegten sie sich auf die Plastikklappe zu, die als Tür diente. Theresa trat vor die Klappe, und die drei hielten inne.
»Ich möchte mit Josh sprechen. Und mit Patty und Mike.«
Die Nennung der Namen schien zumindest einen der drei zu beruhigen. Die ältere der beiden Frauen machte einen Schritt vor, ohne die Hände der anderen loszulassen, und fragte ängstlich: »Kennen Sie Jomp? Sie?«
Jomp. Theresa brauchte eine Sekunde, um daraufzukommen, daß damit Josh-Mike-Patty gemeint war. Sie verspürte einen Anflug von Ekel. »Ja. Ich kenne Josh und bin hergekommen, um mit ihm zu sprechen. Bringt mich bitte zu ihm.«
Ungeachtet des Pochens in ihrer Brust wunderte Theresa sich über sich selbst. Sie klang wie Cazie. Also, das vielleicht doch nicht. Aber zumindest wie Jackson.
Die Frau zögerte. Sie war etwa dreißig, klein und hellhäutig und hatte knochige Gesichtszüge und kurzes Haar, das so blond war wie das Theresas. »Jomp, die sin’ drinnen. Geh mal rein, ich, un’ hol sie.«
»Dann kommen Sie vielleicht nicht zurück!« sagte Theresa. »Ich gehe mit Ihnen.«
»Nee! Ne, ne, Sie bleiben schön da!«
Theresa trat zur Seite. Das Dreierknäuel drückte sich an ihr vorbei; als sie die Wärme des sonnenbestrahlten Zeltes verließen, zeigte sich Gänsehaut auf ihren nackten Körpern. Theresa wartete ab, bis sie die Overalls angezogen hatten, die in einem Haufen auf einem Holzbrett lagen, bevor sie vor die blonde Frau trat, die augenblicklich zurückzuckte.
»Keine Sorge, ich werde keinem von euch etwas tun. Ich möchte nur… Josh sehen. Er wird sich an mich erinnern.« Würde er? »Wie heißen Sie?«
»Wir sin’ Peranla, wir drei.« Es kam nur als Flüstern heraus. Peranla. Percy-Annie-Laura. Oder Pearl-Andy-Lateesha. Oder… Es war egal.
Doch das sollte es nicht
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