Bettler 03 - Bettlers Ritt
benommen, als sich ihr fast nackter Bauch wiederum in einer Kontraktion zusammenzog. Jackson zwang sich, aus der anderen Tür zu klettern. Ein jüngerer Mann – groß, breit, kräftig – starrte ihn bösartig an. Ein Junge mit einem finsteren Gesicht hob die Faust und schüttelte sie in Jacksons Richtung.
Vicki sagte: »Das ist ein Doktor, laß ihn in Ruhe, Scott. Shockey, trag Lizzie. Aber vorsichtig, sie liegt in den Wehen.«
»Is’ mir wurscht, ob er ‘n Doktor is’ oder nich’«, murrte der Junge. »Was hast’n einen von denen mitgebracht, Vicki? Un’ wo sin’ die Dinger, die Kegel?«
»Ich habe ihn mitgebracht, weil Lizzie ihn braucht. Und wir haben keine Kegel.«
Ein kehliger Laut, den Jackson nicht interpretieren konnte, ging von der Meute aus.
Im Innern des Gebäudes war es dunkel; Jackson merkte, daß die Beleuchtung nicht mehr funktionierte und daß das einzige Licht durch die Plastikfenster kam. Es dauerte eine Minute, bis seine Augen sich an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Es war ein großer Raum, jedoch nicht so groß wie die Montagehalle des Willoughby-Werkes. Drei Seiten des Raums hatte man mit Hilfe von Vorhängen, Brettern, alten Möbeln, SchaumSteinstücken, Maschinenteilen und sogar roh zubehauenen Holzstämmen zu kleinen Einzelverschlägen abgeteilt, in denen Strohsäcke und die mageren Habseligkeiten ihrer Bewohner zu sehen waren. Durch das Südfenster konnte Jackson eine – vermutlich gestohlene – Zeltplane aus durchsichtigem Plastik sehen, die einen guten Meter über der aufgewühlten Erde aufgespannt war. Ein Nährplatz mit natürlicher Beleuchtung.
In der Mitte der Halle standen schäbige Sofas, Stühle und Tische rund um einen kleinen tragbaren Y-Energiekegel von der Sorte, die man auf Campingausflüge mitnahm. In diesem Gemeinschaftsraum war die Temperatur zwar höher als im Freien, aber nicht annähernd auf jenem Stand, den Jackson als Raumtemperatur betrachtete.
»Das ist der einzige Kegel im Lager, der noch funktioniert«, erklärte Vicki, »und er ist nicht für einen so großen Raum gedacht. Feuer ist problematisch, weil die Ventilation bei SchaumStein Schwierigkeiten bereitet. Obwohl wir schon den Entwurf für einen freistehenden Kamin haben, als Notmaßnahme, falls wir nicht an TenTech-Kegel herankommen. Inzwischen teilen wir uns alle den einen Kegel, den wir haben. Bei euch hätte ihn natürlich die reichste Familie mit Beschlag belegt.«
»Ihr hättet doch nach Süden ziehen können«, erwiderte Jackson.
»Hier ist es sicherer. Alle ziehen nach Süden, und wir sind nicht ausreichend bewaffnet.«
»Oooooohhh«, machte Lizzie in verschwommenem Erkennen der Tatsachen, »oooohhhh… ich spüre wieder eine kommen…«
Eine hübsche Schwarze mittleren Alters rannte herbei. »Lizzie! Lizzie!«
»Alles in Ordnung, Annie«, sagte Vicki zu ihr. »Herr Doktor, das ist Lizzies Mutter.«
Lizzies Mutter würdigte ihn keines Blickes. Sie griff nach dem erstbesten Teil von Lizzie, die immer noch in den Armen des gewaltigen jungen Mannes lag, und hielt es fest. »Du bringst sie da rein, Shockey – gib acht, du! Die is’ kein Packen Stroh nich’, hörst du!« Jackson sah Vicki lächeln, aber es war ein freudloses Lächeln mit hängenden Mundwinkeln. Irgendeine Geschichte zwischen den beiden Frauen. Den drei Frauen. Shockey konzentrierte sich darauf, seine aufgedunsene, schlaffe, friedlich grinsende Last in einen der Schlafwinkel zu manövrieren.
Annie blockierte den schmalen Zugang mit ihrem ausladenden Hinterteil. »Danke, Doktor, aber Sie können jetz’ gehen. Wir brauchen keine Hilfe nich’ bei unseren eigenen Leuten. Tag.«
»O doch, die brauchen Sie, Frau… Die brauchen Sie! Es ist eine Steißgeburt! Zu gegebener Zeit muß ich den Fötus umdrehen…«
»Is’ kein Fötus nich’! Is’n Baby, das!«
Vicki trat hinzu. »Um Himmels willen, Annie, geh aus dem Weg! Er ist Arzt!«
»Er is’n Macher, der.«
»Wenn du dich nicht gleich bewegst, dann schaffe ich dich aus dem Weg!«
Der Junge mit dem finsteren Gesichtsausdruck hatte sich näher an ihn herangemacht. Jackson spürte unwillige Gereiztheit in sich aufsteigen; drohten Nutzer immerzu mit physischer Gewalt? Es war ermüdend. »Madam«, sagte er entschieden, »ich schaffe Sie aus dem Weg, wenn Sie mich nicht sofort zu meiner Patientin lassen!«
»Na so was, Jackson!« warf Vicki ein, »ich ahnte gar nicht, daß Sie das Zeug dazu haben!«
Ihr Tonfall, der so sehr dem von Cazie glich, machte ihn wütend.
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