Bettler 03 - Bettlers Ritt
Er stieß Lizzies Mutter zur Seite und kniete sich neben Lizzie hin, die lächelnd auf ihrem Bett lag. Eine dünne Matratze aus Plastik, Decken aus wiederverwerteten Kunststoffoveralls. Die einzige andere Einrichtung bestand aus einer zerschrammten Kommode und einem Stuhl aus Preßplastik, der aussah, als hätte man ihn zuvor als Zielscheibe für Schießübungen benutzt. An den Wänden hingen die Ergebnisse künstlerischer Betätigung, wie sie bei den Nutzern so beliebt waren: grellfarbige Metallobjekte auf falschem Holz und das Bild eines Rollerrennens auf flockigen Garnwolken. Auf der Kommode lagen Terminal und Kristallbibliothek von Jansen-Sagura, und zwar von der Sorte, wie sie von den meisten gutsituierten Wissenschaftlern benutzt wurden. Jackson blinzelte ungläubig, als sein Blick auf die Dinge fiel.
Lizzies dunkle Augen blickten trügerisch fröhlich, trotz ihrer Schmerzen. »Tut gar nich’ weh, das. Als Sharon ihr Kind kriegte, da brüllte sie…«
»Keine Medikamente für Sharon«, bemerkte Vicki. »Zahlt sich nicht aus für Macher.«
»Ihr Leute hättet die Lagerhäuser nicht zerstören sollen«, sagte Jackson.
»Warum nicht? Ihr Leute hattet ohnedies aufgehört, sie zu bestücken.«
Er war nicht hergekommen, um mit einer abtrünnigen Macherin über Politik zu streiten. Jackson griff in seine Tasche.
»Was ist das?« fragte Annie. Sie stand über dem Bett wie ein Racheengel. Ein starker Geruch ging von ihr aus, sehr weiblich, schwer und seltsam erotisch. Jackson dachte daran, wie es wohl gewesen sein mußte, sich unter solchen Bedingungen um ein steriles Umfeld zu bemühen. Früher einmal. Vor dem Zellreiniger.
»Es ist ein Hautpflaster zur lokalen Muskelentspannung. Um die Vagina so weit wie möglich zu öffnen und ein Einreißen zu verhindern, bevor ich den Dammschnitt durchführe.«
»Kein Messer!« rief Annie. »Lizzie macht das schon. Un’ Sie, Sie verduften jetz’!«
Jackson ignorierte sie. Eine Hand packte seine Schulter und riß ihn nach hinten, gerade als er das Pflaster auflegte. Dann packte Vicki Annie, und die beiden Frauen balgten sich, bis Jackson eine Stimme hinter sich hörte: »Annie! Hör auf damit, Liebes.«
Lizzie lächelte Jackson immer noch heiter und verträumt an, während ihr Bauch bebte, sich verzog und streckte. Sie hielt seine Hand fest, als er sich umdrehte und einen stattlichen Schwarzen erblickte, der mindestens achtzig Jahre alt war – achtzig kraftvolle, gesunde Jahre, wie jetzt normalerweise der Fall; er führte Annie mit festem Griff von Lizzies Kämmerchen weg. Hinter Annie stand eine ganze Ansammlung von Nutzern herum, schweigend und feindselig.
Jackson drehte sich wieder zu Lizzie zurück.
»Was kann ich tun?« erkundigte sich Vicki mit energischer Stimme.
»Nichts. Stehen Sie mir nicht im Weg herum. Lizzie, dreh dich auf die linke Seite… gut.«
Es dauerte noch eine Stunde, bis er den Dammschnitt setzen mußte. Während des raschen, langen Schnittes – das Baby würde sich nicht mit dem Kopf voran den Weg frei machen – lächelte Lizzie und summte leise vor sich hin. Der alte Mann, Billy, vollbrachte das Wunder, Annie ruhig zu halten. Anwesend, aber ruhig.
»Okay, Lizzie, und jetzt pressen!« Das war der Haken an den Neuropharms, die in ihrem Organismus kreisten: sie waren zwar so konzipiert, daß sie die Barriere der Plazenta nicht überwinden konnten, aber sie reduzierten Lizzies Drang oder Wunsch, sich auf irgend etwas so Spezielles wie Pressen zu konzentrieren, ganz gehörig. »Komm, Lizzie! Pressen! Stell dir vor, du mußt einen Kürbis scheißen!«
Lizzie kicherte. Durch das Blut seiner Mutter kam der kleine Hintern des Babies zum Vorschein. Jackson wartete, bis der Nabel des Kindes den Damm passiert hatte, ergriff dann die Hüften des Babies und zog nach unten, bis die Schulterblätter erschienen. Dann drehte er das Baby vorsichtig so herum, daß eine Schulter nach vorn, die andere nach hinten gerichtet war. Als die Schultern heraus waren, drehte er den zappelnden kleinen Körper zurück, so daß der Kopf mit dem Gesicht nach unten geboren wurde – die Position, die das geringste Risiko eines Schädeltraumas barg.
»Fester pressen, Lizzie! Fester…! «
Sie gehorchte, und schließlich war auch der Kopf des Kindes da. Kein sichtbares Schädeltrauma, guter Muskeltonus, minimale subkutane Blutungen und Ödeme. Als er die weichen, nassen Hinterbäckchen des Babies in seiner Hand hielt, wurde es Jackson eine Sekunde lang eng in der Kehle.
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