Bettler 03 - Bettlers Ritt
draußen gab es Nutzer, die tatsächlich den Versuch machten, sich zu spirituellen Gruppen zu organisieren! Und der InfoKanal hatte gezeigt, wo eine dieser Gruppen überwinterte – mit einem spöttisch gefärbten Kommentar, selbstverständlich, aber er hatte die genauen Koordinaten angegeben.
Sie schlüpfte in eines ihrer langen, losen, geblümten Kleider, die sie selbst entwarf; die Zeichnung und ihre Maße sandte sie an eine Schneiderei, die noch bereit war, mit Baumwolle zu arbeiten. Dann wählte sie einen warmen Mantel – dort draußen gab es keine Wetterwahl wie hier in der Enklave – und alte Stiefel. Doch dann hielt sie inne.
Was sollte sie mitnehmen, um es diesen Leuten zu schenken? Energiekegel, ja – sie hatte ein Dutzend über das Privatkonto bei TenTech bestellt, und der PostRob hatte sie letzte Woche zugestellt. Theresa war mit dem Konto nicht ganz klaglos zurechtgekommen; üblicherweise kümmerte sich Jackson um solche Dinge. Sie hatte das ›Eigentümer-Paßwort‹ benutzt, das er ihr einst gegeben hatte, aber es mußte das falsche Wort gewesen sein, denn das System dachte, sie wollte Zugriff auf die Werksunterlagen. Dort trieb sie sich eine Weile herum, ehe sie ihren Fehler bemerkte; sie hoffte nur, daß dadurch keine Fehlfunktionen in irgendeinem anderen System ausgelöst worden waren. Doch nachdem sie die Haushaltskonten gefunden hatte, gelang es ihr, das zu bestellen, was sie haben wollte. Der Vorgang verlieh ihr ein sonderbares Gefühl der Macht, dem sie augenblicklich mißtraute. »Hochmut kommt vor dem Fall.« Ihre Mutter hatte das immer gesagt.
Kleidung. Sie sollte ihnen ordentliche Kleidung mitbringen. In dem Holovid trugen die Nutzer diese gräßlichen selbstgewebten Sachen oder Overalls in wirklich grauenhaften Farben… aber Theresas Kleider waren alle aus Baumwolle oder Seide. Völlig ungeeignet, denn die Nutzer waren natürlich alle umgestellt. Sie brauchten Sachen, die ihr Körper nicht aufaß.
Sie ging in Jacksons Zimmer und plünderte seinen Kleiderschrank. Hemden, lange Hosen, Hausanzüge, Jacken, Schuhe. Er konnte neue Sachen bestellen. Und bei ihrem nächsten Besuch würde, sie nichtabsorbierbare Frauenkleidung mitbringen.
Was noch? Oh! Geld natürlich. Aber wie funktionierte das bei den Nutzern? Die verwendeten ja kein Geld – vor der Umstellung zumindest hatten sie keines benutzt. Sie waren mit Essenchips und Identitätsausweisen versorgt, und die Politiker hatten ihnen im Tausch gegen ihre Wählerstimmen alles gratis gegeben. Jetzt wählte niemand mehr, außer bei den Enklavenwahlen. Natürlich nicht! Das war ja der Grund, daß die Nutzer in dieser mißlichen Lage waren. Sie hatten kein Geld, um sich das Lebensnotwendige zu kaufen. Also zogen die meisten von ihnen in den Süden, wo sie weder Heizung noch Kleider benötigten und sich im Freien ernährten, und dort fochten sie dumme Kriege und vergaßen jegliche Zivilisation. Aber nicht alle. Diejenigen, die Theresa besuchen wollte, würden Geld sicher gut gebrauchen können. Doch wie übertrug man Gutschriften an Leute, die kein Konto hatten?
Sie würde ein tragbares Terminal mitnehmen. Ein MobiLink. Vielleicht verfügten sie über eine Art Gruppenkonto für die ganze Organisation oder etwas ähnliches. Oder vielleicht konnte sie herausfinden, wie man eines in deren Namen eröffnete. Das sollte doch nicht so schwer sein! Gewiß eröffneten die Leute andauernd Konten über das Netz! Theresa konnte ihnen dann das MobiLink dortlassen.
Das würde sie tun. Das würde sie wirklich tun! Zum erstenmal in ihrem Leben und nach so vielen Fehlstarts konnte sie – Theresa Katherine Aranow – tatsächlich zu etwas nützlich sein, was nicht ihre eigene Person betraf.
Die schwarze Wolke in ihrem Kopf hob sich nicht. Aber sie wog nicht mehr so schwer, und Theresa lächelte.
Auf dem Weg hinaus kam sie an ihrem Hauptterminal vorbei. Es war eingeschaltet, und der Schirm zeigte eine Passage aus ihrem Buch über Leisha Camden, eine der ersten Schlaflosen. Auch einer von ihren Fehlstarts: Theresa wußte, daß keine große Schriftstellerin aus ihr werden würde, und das Buch war auch nicht sonderlich gut. Aber sie hatte über Leisha schreiben wollen, über diese Außenseiterin ihrer eigenen Gruppe, diese Frau, die so hart darum gekämpft hatte, daß sich Schlaflose und Macher nicht in zwei verfeindete Lager aufsplitterten. Leisha hatte auch versucht, die Schlaflosen davon abzuhalten, sich hinter den Schutzschild ihres Schlupfwinkels
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