Bettler 03 - Bettlers Ritt
namens Sanctuary zurückzuziehen; sie hatte versucht, die Schläfer davon abzuhalten, alle Firmen zu boykottieren, an denen Schlaflose beteiligt waren; sie hatte versucht, Miranda Sharifi von der gleichen Art Isolationismus abzuhalten, der ihre Großmutter zum Verrat an ihrem Land getrieben hatte.
Nichts von alldem war Leisha gelungen. Und dann hatten die Schlaflosen die SuperSchlaflosen geschaffen, und alles war noch schlimmer geworden. Aber Leisha hatte es zumindest versucht. Was hatte Leisha wohl motiviert, ehe sie von gesetzlosen Nutzern in einem gottverlassenen Sumpf in Georgia ermordet wurde? fragte sich Theresa oft. Etwas mußte Leisha vorangetrieben haben – irgendein Licht, das sie klarer erkennen konnte als Theresa das ihre.
Vor dem Lift zum Dach, die Arme beladen mit Jacksons teuren, perfekt geschnittenen Kleidern, zauderte Theresa. Es war so schwer, nach draußen zu gehen. So viele neue Dinge… Und was war, wenn sie einen Anfall bekam? Vielleicht sollte sie sich zuerst eine Drew-Arlen-Komposition ansehen, vielleicht diejenige über das Eingehen von Risiken…
Drew Arlen, der Lichte Träumer. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der Theresa über mehrere Monate hinweg täglich zwei oder drei Arlen-Konzerte sah. Sie hatte sich von Arlen mit seinen Unterschwelligkeiten und den programmierten graphischen Formen, die das Unbewußte vereinnahmten, zu einer anderen Art von Träumen hypnotisieren lassen: zu tiefgehenden Träumen, ganz persönlichen, die von Drews Kunst der Massenhypnose und der allgemeingültigen Symbolik, zu denen er so leicht Zugang zu haben schien, subtil geformt wurden. Der Traum wurde zu dem, was der Zuhörer daraus machen wollte, was er brauchte, und der Träumer erwachte gereinigt und gestärkt. Wie nach einer anderen gängigen Droge.
Nein. Heute nicht. Sie würde heute kein Drew-Arlen-Konzert sehen, es nicht benutzen wie irgendein Neuropharm. Sie konnte alles aus eigener Kraft tun. Ja, das konnte sie. Heute war der Tag.
»Guten Morgen, Miss Aranow«, sagte der Lift.
Sie ließ sich von ihm schlucken.
»Un’ wieso machst’n das, du?«
»Ich wollte… ich habe euch im InfoNetz gesehen. Eure… die Versuche, die ihr macht…« Theresa holte tief Atem. Der Mann war nicht groß, aber dick und bärtig und sonnenverbrannt und finster dreinblickend. Außerdem rückte er zu nahe an sie heran. Drei von ihnen, zwei Männer und eine Frau, waren auf den Wagen zugerannt, als er in respektvoller Distanz zu ihrem Gebäude landete. Theresa hoffte, daß es sich um eine respektvolle Distanz handelte. Ihr Herz raste, und der Atem steckte ihr in der Kehle fest und wollte nicht weiterströmen. O nein, nicht jetzt! Sie zwang sich, tief Luft zu holen. Es war kälter hier draußen, als sie erwartet hatte, und viel grauer. Alles hier – Luft, Bäume, Boden und Gesichter – sah grau und kalt und hart aus.
Theresa wandte sich an die Frau. Vielleicht würde es mit einer Frau einfacher sein. »Ich weiß, daß ihr auf der Suche… nach… In dem Bericht hieß es, das hier wäre ein ›spirituelles Experiment‹.« Tatsächlich hatte es geheißen: »Quasi-spiritueller Anlauf zu einer absolut belanglosen menschlichen Selbsttäuschung.«
Die Miene des zweiten Mannes besänftigte sich. Er war jünger, etwa in Theresas Alter, bartlos und dünner als der andere. »Un’ du, du interessierst dich für unsere Gewohnheiten?«
»Fall nich’ auf sie rein, Josh!« fuhr die Frau scharf dazwischen. »Die is’‘ne Macherin!«
»Woll’n mal sehen, wer sie wirklich is’«, sagte der dicke Mann. Er zog ein MobiLink aus der Tasche – durften die Nutzer eigentlich MobiLinks haben? »Ein. Identitätsprüfung. Luftwagen Nummer 475-9886«, gefolgt von den Autorisierungscodes. Wie konnte er die kennen?
Das Terminal sagte: »Wagen zugelassen für Jackson William Aranow, Enklave Manhattan-Ost.« Es fügte Jacksons Identitätsnummer und genaue Adresse hinzu. Theresa hatte nicht gewußt, daß diese der Öffentlichkeit zugänglich waren.
»Ich bin Theresa Aranow… Jacksons… Schwester.« Sie bemühte sich, normal zu atmen.
»Un’ du bringst uns Sachen hier raus«, sagte die Frau. »Weil du so ‘n gutes Herz hast.«
»Ja«, flüsterte Theresa. »Ich meine, nein, ich… ich denke nicht, daß… ich so… gut…«
»He, was is’n los mit dir, du?« sagte der jüngere der beiden Männer. Josh.
Theresa wankte und lehnte sich an den Wagen.
Josh berührte sie am Arm. Sie zuckte zurück. »Alles… in
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