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Bettler 03 - Bettlers Ritt

Titel: Bettler 03 - Bettlers Ritt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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konnten aus allen fünf Kontinenten stammen. Er sprach nie. Neben ihm überprüfte der Leibwächter, ein Schlafloser namens Gunnar Gralnick, seine Waffen.
    Das Flugzeug landete auf einer staubigen, nicht gekennzeichneten Piste in der Wüste, von wo aus Atar, am morgenroten Horizont, gerade noch zu erkennen war. Das einzige Gebäude, ein fensterloser Quader aus SchaumStein – seltsam frisch und staubfrei unter seinem Y-Schild – hätte überall auf der Welt stehen können. So nah am Äquator war es draußen im Freien überraschend kühl – kühler jedenfalls als in Jennifers Erinnerung; doch die Sonne war noch nicht aufgegangen. Später würde die Luft flirren vor Hitze.
    Drei Männer in leichten arabischen Gewändern warteten bereits. Jennifer sah, daß die Gewänder aus nicht konsumierbarem Synthetikmaterial bestanden. Die Männer waren alle umgestellt. In Afrika war das nicht immer selbstverständlich. Sie hatten dunkle, sonnenverbrannte Haut, aber helle Augen: zwei von ihnen grüne, einer blaue. Derjenige mit den blauen Augen hatte rotes Haar, nichts davon GenMod. Es waren Berber.
    »Willkommen in Mauretanien«, sagte der älteste der drei in fast akzentfreiem Englisch zu Will. Jennifer gönnte er keinen Blick. Sie hatte nichts anderes erwartet und schwieg. »Ich bin Karim. Das ist Ali und das Beschir. Hatten Sie einen guten Flug?«
    »Ja, vielen Dank«, sagte Will.
    »Keine Komplikationen?«
    »Niemand ist uns gefolgt.«
    »Auch wir konnten nichts dergleichen wahrnehmen«, sagte Karim. »Aber dennoch wäre es nicht ratsam, hier länger zu verweilen. Bitte folgen Sie mir.«
    Der Pilot blieb beim Flugzeug. Die anderen sechs kletterten in einen großen Luftwagen, Will und Jennifer auf die Rücksitze, Gunnar dazwischen. Im Tiefflug ging es weiter in die Sahara hinein, die unter den ersten Sonnenstrahlen mit jeder Minute heller wurde. Felsen, struppiges Buschwerk und eine gelegentliche Oase, deren Grün zusammen mit dem Bewässerungssystem so abrupt endete, als hätte man es mit einer gewaltigen Schere abgeschnitten. Und dann wiederum keinerlei Vegetation mehr, nur Felsen und Sand. Sie gingen neben einem kleinen SchaumStein-Gebäude nieder, dessen kuppelförmiger Schild halb im Sand begraben war.
    Die Araber landeten den Wagen auf hartem, sandfreiem Boden innerhalb der Kuppel. Die Tür zu dem Gebäude, bemerkte Jennifer, öffnete sich mittels Netzhaut-Scan; eine deutsche Untergrundfirma hatte kürzlich Software entwickelt, die in der Lage war, Netzhaut-Codes zu kopieren. Die Berber würden ihr Sicherheitssystem auf den neuesten Stand bringen müssen.
    Der Lift sagte kurz etwas auf arabisch. Will ließ sich nicht anmerken, daß er kein Arabisch verstand; Jennifer verstand Arabisch, doch das ließ sie sich auch nicht anmerken. Natürlich wußten die Berber, welche Sprachen Jennifer sprach oder verstand; sie wußten alles von ihren drei schlaflosen Besuchern – alles, was in den Datenbanken der ganzen Welt aufschien. Doch das waren nie die wirklich wichtigen Informationen; Schläfer wollten das einfach nicht verstehen.
    Jennifer stand dicht neben ihnen – aus Gründen der Selbstdisziplin –, konzentrierte ihren Haß auf einen Brennpunkt und ließ ihn kontrolliert aufflammen. Aus Gründen der Selbstdisziplin. Die Grußprogrammierung des Lifts – »Allahs Friede sei mit euch!« – mochte satirisch gemeint sein oder auch nicht. Falls es sich um Satire handelte, dann bedeutete es Schwäche, denn Satire war ein Hinweis auf die Fähigkeit, sich außerhalb des eigenen Strebens zu stellen und es zu verspotten. Falls es keine Satire war, dann war es ein Hinweis auf das Gewicht der Tradition.
    Mauretanien hatte eine Menge Traditionen. Stolze Berber-Nomaden. Islam. Koloniale Unterdrückung. Zusammenbruch und Dürre und Seuchen und Kriege und Brutalität – wie ganz Afrika, nur ein wenig mehr von allem. Mauretanien war der letzte afrikanische Staat gewesen, der vor weniger als zweihundert Jahren die Sklaverei verboten hatte, doch die Sklaverei hatte weiterbestanden, zusammen mit neueren Banditen und neueren genetischen und technischen Sklaven. Mauretanien hatte keine Regierung mehr, die man als solche hätte bezeichnen können; und das, was noch davon existierte, konnte ganz leicht und billig gekauft werden.
    Der Lift hielt tief unter der Erde an. Er öffnete sich geradewegs in einen Konferenzraum – spiegelglatte nano-gebaute weiße Wände und der Duft starken Kaffees. Die Türen, die davon ausgingen, führten vermutlich

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