Bettler 03 - Bettlers Ritt
verstreuten Arme und Beine vom Boden aufsammeln lassen. Dann mußte sie die Enklavepolizei von den Eindringlingen in Kenntnis setzen. Drittens mußte sie draufkommen, woran es lag, daß Thomas Carlyles Sätze so gut klangen, damit sie, Theresa – oder ihr persönliches System – dann selbst welche schreiben konnte, die ebensogut klangen. Ja, das war es! Sie würde ihr System beauftragen, Carlyles Prosa zu kopieren. Schließlich hießen sie beide Thomas.
»Tess! Wo bist… o mein Gott!«
Theresa blickte auf. Cazie stand über ihr; sie trug einen Helm mit Y-Schild und Luftfilter. Cazie schien noch alle ihre Arme und Beine zu haben. Interessant… Wie hatte Cazie es geschafft, ihre Gliedmaßen zu behalten, wenn sowohl Theresa als auch die Eindringlinge die ihren verloren hatten? Punkt vier auf ihrer Liste würde sein, Jackson deswegen zu fragen. Vielleicht handelte es sich um ein medizinisches Problem.
»Hier, atme tief… halt still, Tessie! Atme bloß ein, so tief du kannst, das Gas braucht ein paar Minuten, um wieder herauszukommen aus deinem Körper… Atme nur…«
Da war etwas über ihrem Kopf – etwas, das aus Y-Energie bestehen mußte, denn Theresa konnte Cazie immer noch sehen. Cazie sah so besorgt aus… aber das brauchte sie doch nicht! Wirklich nicht! Theresa ging es ja gut! Jackson würde stolz darauf sein, wie gut es ihr ging, wie ruhig sie in einem Notfall blieb, wie normal und tief sie atmete und was für eine zweckmäßige Liste sie angefertigt hatte von dem, was zu tun war und in welcher Reihenfolge… Aber sie sollte Thomas die Liste diktieren. Auf diese Weise würde sie sicherstellen, nichts darauf zu vergessen. Thomas konnte alles aufschreiben.
Sie kroch auf ihr Terminal zu, um die Sache gleich in Angriff zu nehmen. »Tief atmen«, sagte Cazie wieder, aber noch ehe Theresa das tun konnte, wurde alles schwarz um sie.
Sie erwachte auf dem Sofa im Wohnzimmer. Jackson und Cazie standen über sie gebeugt. Cazie sagte: »Wie geht’s denn jetzt, Tessie?«
»Ich… da waren Nutzer…«
»Sind schon weg. Nein, reg dich nicht auf, Tess, es ist alles in Ordnung! Die Enklavenwache hat sie alle gefaßt, und niemandem ist etwas geschehen. Es wird nicht wieder vorkommen.«
»Aber wie… was…?«
Jackson setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. »Sie haben den Gebäudecode aus dem Netz gefischt, Theresa. Niemand weiß, wie sie in die Enklave gekommen sind. Aber alle unsere Systeme wurden neu programmiert – das Gebäude, der Lift und Jones. Cazie hat recht, es wird nicht wieder vorkommen.«
Seine Stimme klang hohl. Er log sie an.
Cazie sagte: »Nichts wurde gestohlen. Vielleicht hatten sie gar nicht vor, außer den Umstellungs -Spritzen etwas zu stehlen. Sie wußten, daß Jackson Arzt ist. Bei anderen Medizinern wurde auch eingebrochen. Die Polizei wird sich um die Sache kümmern. Niemand kam zu Schaden.«
»Aber überall auf dem Boden lagen Arme und Beine herum!« rief Theresa. Sie hatte sie noch vor Augen, diese gräßlichen abgetrennten Gliedmaßen… Sie erschauerte und schnappte erschrocken nach Luft: »Und was ist mit meinen Armen und Beinen?«
»Ganz ruhig, Tess«, sagte Cazie. »Es ist alles in Ordnung. Es lagen keine Arme und Beine auf dem Boden, und du hast die deinen auch noch. Es war nur die Bioabwehr des Systems. Warum hast du denn vor der Aktivierung nicht deine Maske aufgesetzt?«
»Du regst sie nur auf«, sagte Jackson. »Sie wußte das nicht. Tess, es ist alles gut, wir sind bei dir. Du brauchst dir keine Gedanken mehr darüber zu machen.«
»Aber…« Ihre Finger schlossen und öffneten sich um Jacksons Hand, schlossen sich und öffneten sich. »Aber sag mir, was habe ich da eingeatmet? Bitte, sag’s mir, Jackson!«
Widerstrebend sagte er: »Es war ein Gas, das direkt auf die parietalen Cortices einwirkt und Anosognosie verursacht. Die parietalen Cortices regeln die Art und Weise, wie der Verstand die Gefühle und Bewegungen des Körpers wahrnimmt. Bei der Anosognosie ist der Verstand unfähig, die körpereigenen Funktionsausfälle, zum Beispiel der Gliedmaßen zu erkennen, und auch unfähig zu erkennen, daß irgend etwas damit nicht stimmt. Also erfindet das Opfer komplizierte Szenarien, um die wahrgenommene Lahmlegung der Gliedmaßen zu erklären. Das ist eine gute Methode für eine Sicherheitsmaßnahme, die eine Person außer Gefecht setzt, ohne bei ihr Wut oder Panik hervorzurufen, was beides zu Überreaktionen führen könnte. Und es ist absolut harmlos.«
Also
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